Bagdad/Paris - Auf den ersten Blick können die menschlichen Schutzschilde im Irak kaum Erfolge vorweisen: Beim Sturz von Saddam Hussein wurden ungezählte Zivilisten getötet, in Bagdad brach die Stromversorgung zusammen, und das ganze Land wurde schwer bombardiert. Der Argentinier Sergio Sahara, der nach seinem Einsatz in einem Bagdader Kraftwerk auf gepackten Koffern sitzt, bereut seine Mission dennoch nicht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wenn wir nicht da gewesen wären, hätten sie das Kraftwerk vielleicht auch noch bombardiert", versucht Sahara seiner Mission Positives abgewinnen. Die meisten der mehr als 200 westlichen Aktivisten, die mit ihrer Anwesenheit im Irak die Luftangriffe verhindern wollten, haben das Land freilich wieder verlassen.
Verbitterung
Sahara zeigt sich verbitterter als zu Beginn des Krieges: "Die Invasion hat das ganze Land zerstört", schimpft der 36-jährige Sachbearbeiter. Zusammen mit acht Aktivisten aus Ländern wie Polen, Frankreich und Japan verbrachte er lange Nächte in dem Kraftwerk. "Wir haben etwas Lebensnotwendiges für das irakische Volk verteidigt", ist Sahara überzeugt. Noch größeren Eindruck als die tägliche Angst vor den Bomben hinterließ bei dem studierten Theologen ein Treffen mit einem baptistischen Pastor in Bagdad vor wenigen Tagen. Der Mann habe ihn zu einem Wohnhaus im Süden der Hauptstadt gebracht, in dem zwei Familien bei einem Bombenangriff lebendig begraben worden seien. "Das waren alles unschuldige Zivilisten." Das mache ihn "so traurig", sagt der Friedensaktivist. "Das war kein Krieg gegen einen Diktator, sondern die völlige Besetzung eines Landes."
Schwierige Ausreise
Bei der bevorstehenden Abreise aus Bagdad hat Sahara einen beschwerlichen Weg vor sich. Alle Flugverbindungen sind eingestellt, und die Straßen außerhalb von Bagdad gelten nach wie vor als äußerst unsicher. Obwohl die Miete für ein Auto bis zur 1.000 Kilometer entfernten jordanischen Hauptstadt Amman fast tausend Euro beträgt, machen sich immer wieder auch einzelne Aktivisten alleine oder in kleinen Gruppen auf den Weg. Rund sechzig der 275 Schutzschilde seien noch in Bagdad, sagt Carly Roberts von der in London ansässigen Organisation "Human Shields Action". 40 von ihnen wollten bleiben, um beim Wiederaufbau zu helfen.
Zwei seiner Freiwilligen würden noch vermisst, sagt der Chef der französischen Moslempartei, Mohammed Latreche, der den Aufenthalt von 30 Schutzschilden im Irak organisiert hatte. Sie hätten sich im Kraftwerk El Rashidda im Norden von Bagdad aufgehalten, bevor der Kontakt abgerissen sei.