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Endgültige Entscheidung im Herbst

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Lostag für Beitrittskandidaten. | Bedingungen für Vollbeitritt im Jahr 2007 erwartet. | Kommission winkt mit Schutzklauseln. | Brüssel. Bulgarien und Rumänien werden der EU beitreten. Und zwar am 1. Jänner 2007. So steht es in den Beitrittsverträgen, die sämtliche EU-Regierungen mit den beiden Ländern unterzeichnet haben. Nur in ganz extremen Ausnahmefällen kann die Aufnahme um ein Jahr auf 1. Jänner 2008 verschoben werden.


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Notwendig dafür wäre aber beim derzeitigen Sorgenkind Bulgarien ein einstimmiger Entscheid der Mitgliedsstaaten, im Fall des früher säumigeren Rumäniens genügte eine qualifizierte Mehrheit. Aber die Regierung in Bukarest hat aufgeholt und mehrere Mitgliedsstaaten haben bereits mehr oder weniger deutlich anklingen lassen, dass sie die Verschiebung für Sofia nicht unterstützen wollen. Mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland handelt es sich dabei um EU-Schwergewichte. Zuletzt wollte sich auch Griechenland für seinen Nachbarn Bulgarien einsetzen.

Für die heute, Dienstag, anstehende Empfehlung der Kommission zur Beitrittsreife der beiden Länder hat Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso drei Möglichkeiten verkündet. Seine Behörde könnte vorbehaltlos den Beitritt 2007 empfehlen, die Verschiebung auf 2008 oder den Beitritt 2007 unter bestimmten Bedingungen.

Die ersten beiden Varianten haben laut übereinstimmender Einschätzung mehrerer Diplomaten eher theoretischen Charakter, nur die dritte scheint plausibel. Diese bedeutet de facto eine Verschiebung der Empfehlung der Kommission auf Herbst, weil die Erfüllung der Bedingungen noch evaluiert werden müsste.

Auch wenn eine Kommissionssprecherin von einer "glasklaren Empfehlung" spricht, dürfte damit eher der Rat an Bulgarien und auch Rumänien gemeint sein, bei der Umsetzung ihrer Reformen noch einmal ihr Möglichstes zu tun.

Weitere Anstrengungen gegen Korruption, Geldwäsche und Menschenhandel stehen ganz oben auf der Wunschliste an Sofia. Beide Länder haben noch keine geeigneten Behörden zur Verwaltung von EU-Landwirtschafts- und Strukturförderungen geschaffen.

Terminplan wird bei Verschiebung eng

Über eine Beitrittsverschiebung kann die Kommission aber nicht entscheiden. Sie kann lediglich zeitlich begrenzte Schutzklauseln für Bereiche verhängen, in denen die Bedingungen nicht erfüllt wurden. Könnten in vielen Bereichen Fördergelder einbehalten werden, so sei eine Schutzklausel im Bereich Justiz und Inneres "absolutes Neuland", hieß es. Theoretisch kann die Stellungnahme der Kommission den Beitritt per 2007 zwar noch verhindern. So will etwa der deutsche Bundestag die Ratifizierung der Beitrittsverträge von der Meinung der Brüsseler Behörde abhängig machen. Auch die Bestätigung des französischen Parlaments steht noch aus.

Und ohne die Ratifizierung durch alle 25 Mitgliedsstaaten "gibt es keinen Beitritt", erklärt ein hochrangiger Diplomat. Dass diese "absolute Notbremse, die ein Mitgliedsstaat noch hat" aber zur Anwendung kommt, hält er für "ausgeschlossen".

Knapp wird es aber nicht nur für die Ratifizierung der Deutschen, wenn die Kommission sich bis in den Herbst zurückhält. Auch in Brüssel müssten die Behörden bis spätestens Ende September wissen, für eine wie große EU sie das Budget 2007 ausarbeiten sollen, heißt es in Kommissionskreisen.

Vorläufig arbeiten die Beamten schon einmal auf eine EU der 27 hin. Dafür ist formal gar keine Entscheidung der Mitgliedstaaten mehr notwendig.

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