Mit Verzögerung reagiert die Politik auf die Randale in Favoriten - und handelt wohltuend angemessen.
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Nachrichten und - noch schlimmer - Bilder von einem möglichen - und sei es nur vermeintlichen - staatlichen Kontrollverlust lassen spätestens seit 2015 schnell die Alarmglocken schrillen. Bei Bürgern, Medien und Politik (und es ist in solchen Fragen nie ganz eindeutig, wer hier wen emotionalisiert).
Die tagelangen und durchaus heftigen Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und linken Demonstranten in Wien-Favoriten, die von aggressiven türkischen Gruppen nationalistischer bis rechtsextremer Prägung attackiert werden, samt einer Polizei, die bei Ordnungsversuchen selbst zum Angriffsziel wird, bringen eine Realität ans Licht, die so lange unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle brodelt, bis ein Anlass die Konflikte für alle sichtbar und unter Einsatz von Gewalt eskalieren lässt.
Für die verantwortlichen Politiker beschränkten sich die dabei üblichen Vorgehensweisen in der Vergangenheit auf zwei Alternativen: entweder schönreden und das Thema kleinhalten oder aber, und das nicht minder alibihaft, aufbauschen und Alarm schreien. Umso bemerkenswerter waren am Montag die unaufgeregten Ansagen der türkis-grünen Bundesregierung in der Sache sowie der Verzicht darauf, das Thema allzu offensichtlich für den anlaufenden Wien-Wahlkampf zu instrumentalisieren.
Dass Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Außenminister Alexander Außenminister Schallenberg (parteifrei, von der ÖVP nominiert) im Gleichschritt das Demonstrationsrecht vorbehaltlos verteidigten und den Versuch der türkischen Regierung zurückwiesen, die demonstrierenden linken Aktivisten pauschal als "Terror-Unterstützer" zu diskreditieren, ist ein wohltuender Ausbruch aus der "Alles Extremisten!"-Vereinfachung, ohne gleich einen einseitigen Persilschein auszustellen. Tatsächlich ist nicht nur der türkisch-nationalistisch-rechtsextreme "Graue Wölfe"-Gruß gesetzlich verboten, sondern auch die Symbole der von der EU als terroristische Vereinigung klassifizierten kurdischen Arbeiterpartei PKK. Das gilt es, strikt einzuhalten.
Zudem zeigt sich in der Ankündigung eines Runden Tischs von Sicherheits- und Integrationsbehörden die Einsicht, dass die bisher übliche Dichotomie von "Alle Opfer" gegen "Alle abschieben" hoffentlich ausgedient hat.
Und weil es sich eben um ein Thema der inneren Sicherheit und des Zusammenlebens in Österreich handelt, muss allen Beteiligten klar sein, dass hier kein Platz für die gewaltsame Austragung innertürkischer Konflikte ist. Diese Regel gilt ganz besonders auch für die türkische Regierung, die ihre Diaspora gern und gezielt politisch einsetzt.