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Österreich hat einen neuen Präsidenten: Alexander Van der Bellen gab sich bei der Angelobung launig.
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Wien. Die Erleichterung war ihnen anzusehen. Bei der Verabschiedung Heinz Fischers als Bundespräsident am 8. Juli waren Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidbauer im alten Reichsratssitzungssaal des Parlaments mit versteinerten Minen auf der Tribüne gestanden. Nichts war klar zu diesem Zeitpunkt - außer, dass das Land einige Monate lang ohne Bundespräsident sein würde.
Doch an diesem Donnerstag im tiefsten Winter war alles anders. Gelöst kam Schmidbauer auf die Tribüne, winkte, strahlte. Unten im Saal würde gleich ihr Ehemann inmitten von Würdenträgern und unter der Fanfare der Wiener Philharmoniker einziehen. Endlich Bundespräsident, mehr als ein Jahr nach Bekanntgabe seiner Kandidatur. Die Würdenträger waren zahlreich gekommen: Neben den Mitgliedern der Bundesregierung (nur Innenminister Wolfgang Sobotka ließ sich wegen des Innenministerrats auf Malta entschuldigen), des Nationalrats, Bundesrats und EU-Parlaments wohnten auch die Vertreter der Religionsgemeinschaften, die Landeshauptleute, Volksanwälte, Höchstgerichtspräsidenten, ehemalige Regierungsmitglieder, frühere Kanzler wie Wolfgang Schüssel, Franz Vranitzky und Werner Faymann, Vertreter der Wirtschaft wie Hans Peter Haselsteiner und Brigitte Ederer und der Kunst wie André Heller und Hubert von Goisern der Angelobung des neunten Bundespräsidenten bei. Und natürlich Heinz Fischer mit seiner Frau Margit.
Um Punkt 10 Uhr zog Van der Bellen, der zuvor schon im Oberen Vestibül vor der Säulenhalle des Parlaments von Nationalratspräsidentin Doris Bures empfangen worden war, in den Saal ein. Einige Schritte hinter ihm Kontrahent Norbert Hofer, der auf der für die Nationalratspräsidenten vorgesehenen Bank Platz nahm und gute Miene zum bösen Spiel machte. Als weniger gute Verlierer entpuppten sich Hofers FPÖ-Parteifreunde: Mit steinernen Gesichtern und kaum wahrnehmbarem Applaus empfingen sie den trotz Anfechtung und Wahlverschiebung immerhin rechtmäßig gewählten Bundespräsidenten.
FPÖ sah keinen Grund für langen Applaus
Klubchef Heinz-Christian Strache meinte dazu später zur APA, man habe geklatscht, "aber kurz", weil man keinen Grund für drei Minuten Jubel gesehen habe.
Nach der Begrüßung legte Van der Bellen seinen Eid auf die Verfassung ab - seit Donnerstag, 10.07 Uhr hat das Land also wieder einen Bundespräsidenten. Die erste Festrede hielt die aktuelle Präsidentin des Bundesrats und Vorsitzende der Bundesversammlung, Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP), eine Tirolerin wie Van der Bellen. Sie bedankte sich zunächst bei den drei Nationalratspräsidenten, die die Aufgaben des Bundespräsidenten interimistisch übernommen hatten.
Dann ging sie auch mit Blick auf den teilweise sehr hart geführten Wahlkampf auf die Aufgaben des Präsidenten ein: Die Welt und das Leben der Menschen werde immer komplexer, viele aktuelle Entwicklungen würden den Menschen Angst machen. Aber: "Angst kann nicht der Antrieb für die Gestaltung Österreichs sein", sagte sie. Und: "Der Zusammenhalt steht uns besser zu Gesicht als das Gegeneinander", sagte Ledl-Rossmann. Nicht jede Meinungsverschiedenheit führe gleich zu einer gesellschaftlichen Spaltung, der Bundespräsident müsse mit Feingefühl und verbindend agieren. "Von Tirolerin zu Tiroler wünsche ich Ihnen, Herr Bundespräsident, und für die Zukunft in unserem Land alles erdenklich Gute", schloss die Bundesratspräsidentin.
Auch Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) bezog sich in ihrer Rede auf die immer komplexer werdende Welt, in der der Bundespräsident Denkanstöße und Orientierung geben müsse. Wenn die gesamte Welt in Bewegung ist, wachse die Sehnsucht der Menschen nach Stabilität. Aber diese könne man nicht in der Rückkehr zu Nationalismen finden, sondern nur in Europa und weltweiten Allianzen für den Frieden. Zum langen Wahlkampf meinte sie: "Was lange währt, wird heute gut."
"Ein Gefühl der Unwirklichkeit"
Schließlich richtete auch der Bundespräsident selbst einige Worte an die Bundesversammlung - und zeigte sich locker und zum Scherzen aufgelegt wie selten in dem überlangen Wahlkampf. "Ich stehe hier mit einem Gefühl der Unwirklichkeit", sagte er. Das liege aber nicht am langen Wahlkampf - dieser sei ja durchaus ganz vergnüglich gewesen, meinte Van der Bellen und lächelte in Richtung Hofer, der wissend zurückgrinste. Sondern es sei für ihn als einstigen Flüchtlingsbuben eine "Ehre und Freude", jetzt Bundespräsident zu sein. "Das erfüllt mich mit dem Gefühl, dass Österreich wirklich ein Land sehr großer, wenn nicht zu sagen, unbegrenzter Möglichkeiten ist." Van der Bellen bedankte sich bei seiner Frau, bei Hofer und bei Heinz Fischer und betonte, dass er auch diejenigen, die ihn im Wahlkampf nicht unterstützt hätten, ab jetzt vertreten werde.
"Gerede von der Spaltung des Landes ist übertrieben"
Das "Gerede von der Spaltung des Landes ist übertrieben", meinte er. Er verstehe den Zweifel in Zeiten wie diesen. Ein Kind traue sich aber irgendwann, im Bad vom Fünf-Meter-Brett zu springen, weil die Zuversicht stärker ist als der Zweifel. "Ich appelliere an Ihre Zuversicht, als Politiker und als Menschen", sagte er.
Außerdem sprach Van der Bellen in seiner Rede mehrere aktuelle Fragen an - etwa betonte er, dass jeder die gleichen Rechte und die gleiche Würde habe, aber dass sich auch alle an die rechtsstaatlichen Grundwerte halten müssten, "die nicht verhandelbar sind". Zum internationalen Holocaust-Gedenktag am Freitag sagte Van der Bellen: Es gab in Österreich Opfer und Täter, "das ist die dunkelste Seite unserer österreichischen Geschichte, die wir niemals vergessen werden".
Die Europäische Union sei ein Raum des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands, aber Europa sei noch unvollständig und verletzlich, daher müsse man weiter daran arbeiten.
Van der Bellen versprach auch, dass er seine Funktion als Oberbefehlshaber des Bundesheers sehr ernst nehmen werde. In Richtung der Jüngsten - "ich sehe hier nur Menschen mittelalterlichen Zuschnitts, aber vielleicht zu Hause" - richtete er den Appell: "Ihr seid es, die die Welt neu bauen werdet. Wir brauchen euren Mut, eure Leidenschaft, eure Ideen, euren Widerspruch und eure Zuversicht." Und dann schloss er mit einem Satz aus der Bundeshymne, den er auch im Wahlkampf verwendet hatte: "Mutig in die neuen Zeiten. Es lebe unsere Republik Österreich."
Schnaps und Gulasch für den Landsmann
Nach der Bundeshymne wurde der neue Präsident - er ist auch der erste, der nicht einem der traditionellen Lager Rot und Schwarz angehört - von Nationalratspräsidentin Bures mit dem Groß-Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. Dann verließ er, beschützt von unzähligen Beamten, über die Rampe das Parlament. Vor dem Hohen Haus wurde er bereits von rund tausend Fans und einer Kapelle aus seiner Heimat, dem Kaunertal, empfangen, die ihn durch den Volksgarten zur Hofburg begleiteten.
Zu Mittag begrüßte das Bundesheer seinen Oberbefehlshaber mit einer Flaggenparade am Heldenplatz, dann stand ein "landesüblicher Empfang" Tirols mit Schnaps und Gulasch auf dem Programm. Am Nachmittag empfing Van der Bellen auch die Bundesregierung, die ihm traditionell ihren Rücktritt anbot.
Alexander Van der Bellen appelliert an Einigkeit und Zuversicht