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Endlich getrennte Wege

Von Walter Hämmerle

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Während alle über die Grünen jubeln, vollzieht sich die wirkliche Revolution woanders: SPÖ und ÖVP können endlich voneinander lassen - und tun es auch.


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Die tief sitzende Antipathie, die SPÖ und ÖVP seit gefühlten hundert Jahren eint, kann zunehmend produktiv auf getrennten Wegen ausgelebt werden. Das war, man darf es mittlerweile auch laut sagen, höchste Zeit. Und wenn man ganz ehrlich ist, mussten beide Parteien zu ihrem Glück mehr gezwungen werden, als dass sie aus eigenem Antrieb den Ausbruch wagten.

Auf Landesebene sitzen die letzten Überzeugungstäter in Sachen großer Koalition in der Steiermark, wo SPÖ und ÖVP versuchen, das Märchen von den großen Problemen, die nach breiten Mehrheiten verlangen, wenigstens für einmal mit einem Körnchen Wahrheit zu ergänzen. In Niederösterreich hat sich Erwin Pröll der bemitleidenswerten Landes-SPÖ erbarmt, obwohl er ohnedies über die Absolute verfügt. Michael Häupl, wie Freund Pröll ein in der Wolle gefärbter Großkoalitionär, hätte in Wien gerne das Gleiche gemacht, allein die ÖVP war nach der vergangenen Wahl als zurechnungs- und handlungsfähige Kraft gerade außer Dienst; Rot-Grün ist in Wien daher eher passiert als strategisch angestrebt. Im Burgenland lässt sich, auf der geltenden Rechtsbasis, gar nicht anders als rot-schwarz regieren. Kärnten bleibt natürlich ein Sonderfall, wo sonst schon lagen sich nach einer Wahl SPÖ, ÖVP und Grüne jubelnd in den Armen?

Damit erfüllt die Landespolitik endlich zumindest ansatzweise ihre ureigenste Aufgabe als föderales Versuchslabor für politische Experimente, wo neue Konstellationen ausprobiert und auf ihre Tauglichkeit für die Bundesebene hin erprobt werden können. Dass sich die Länder über Jahrzehnte in puncto politischer Innovation als (noch) träger erweisen als der Bund, ist eine der großen Fehlkonstruktionen der Zweiten Republik. Dieses Beharrungsvermögen konnten die wenigen und auch politisch isolierten Ausbruchsversuche, die es in den Ländern gab, nie kompensieren.

Salzburg könnte sich - nach der "Kenia-Koalition" in Kärnten - in diesem Experimentierfeld nun an die Spitze setzen: Neun Jahre, nachdem Gabi Burgstaller die erste Chance auf Rot-Grün in Österreich mit den Worten "ich bin doch nicht verrückt" ins Reich der politischen Spinnereien verwies, könnte die ÖVP mit Grünen und Team Stronach ein neues Kapitel aufschlagen.

Eines sollte man bei all der Begeisterung über die neuen Koalitionsvarianten aber nicht übersehen: Am Ende zählen die Inhalte einer Koalition - und die Professionalität ihrer Akteure. Die Gefahr ist stets präsent, dass lediglich eine neue Clique an die Futtertröge gelangt.

Und: Man sollte von Parteien nicht verlangen, dass sie zu Lämmern mutieren: Der Vorschlag, den beiden Verlierern SPÖ und ÖVP trotz bestehender Mehrheit einen dritten Partner, die Grünen, zur Seite zu stellen, weil die doch schließlich so viele Stimmen gewonnen haben, taugt allenfalls als PR-Gag. Wenn die Wähler SPÖ und ÖVP nicht gemeinsam in der Regierung sehen wollen, müssen sie ihnen schon an den Urnen die Mehrheit verweigern. Es ist ein Fortschritt, wenn sich das Prinzip der kleinsten notwendigen Mehrheit durchsetzt, sofern die Inhalte passen.