Zum Hauptinhalt springen

"Endlich kommen wir hier raus"

Von Rebecca Santana

Politik

Eine penibel geplante Nacht- und-Nebel-Aktion. | Heiler Rückzug durch teils feindliches Gebiet. | Grenzübergang Chabari/Kuwait.(apn) Im Morgengrauen rumpelt die Kolonne von Panzerfahrzeugen über die Wüstenpiste, vorbei an Stacheldraht und Schranken, über die Grenze nach Kuwait. Ihr Einsatz im Irak ist Geschichte. Die Soldaten jubeln; es geht nach Hause. Sieben Jahre und fünf Monate nach dem Einmarsch im Irak zieht die 4. Stryker-Brigade der 2. Infanteriedivision am Donnerstag als letzte kämpfende Einheit der US-Streitkräfte aus dem Zweistromland ab - beinahe zwei Wochen vor Ablauf der Frist am 31. August, die Präsident Barack Obama für das Ende des Kampfeinsatzes gesetzt hat.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Als Luke Dill beim Einmarsch als 18-jähriger Gefreiter zum ersten Mal in den Irak kam, war sein Militärjeep so wenig gegen Bombenanschläge gefeit, dass die Soldaten den Boden des Fahrzeugs mit Schutzwesten auslegten. Den Rückweg nach zwei Einsätzen trat der inzwischen 25 Jahre alte Unteroffizier diese Woche in einem Stryker-Radpanzer an, einem achträdrigen Monstrum, dessen Panzerung auch Granaten standhält.

"Darauf werde ich mein Leben lang stolz sein: dass ich damals mit der ersten Welle kam und jetzt mit den letzten Kampfeinheiten wieder gehe", sagt Dill.

USA haben sichim Irak etabliert

Er erinnert sich an die drei Tage unter Mörserfeuer vor Najaf 2003, als es so ungeheuer laut war, dass er danach in der Stille nicht mehr schlafen konnte. Er erinnert sich an den Nachthimmel über Mossul, hell erleuchtet von Leuchtspurmunition aus allen Richtungen. Daheim wartet eine Harley-Davidson "Big Boy" auf ihn, bestellt bei einer Vertretung des Motorradherstellers auf einem US-Stützpunkt im Irak - ein schlagendes Beispiel dafür, wie fest sich die Amerikaner seit dem Einmarsch am 20. März 2003 im Irak etabliert haben.

Ganz weg sind sie noch lange nicht. Vereinzelt warten Soldaten noch auf die Abreise. Rund 50.000 bleiben noch ein weiteres Jahr, allerdings nicht mit Kampfauftrag. Sie sind zur Selbstverteidigung bewaffnet, begleiten irakische Soldaten auf Wunsch bei Einsätzen, und Spezialeinheiten gehen mit Irakern weiter auf Terroristenjagd. So dürfte auch die Zahl der im Irak gefallenen US-Soldaten - mit Stand vom Mittwoch nach Angaben des Pentagons mindestens 4415 - noch nicht die endgültige sein.

Abzug unter strikterGeheimhaltung

Die Stryker-Brigade aus dem US-Staat Washington hat 34 Soldaten im Irak verloren. Sie war bei vielen der härtesten Schlachten an vorderster Front dabei, im Osten Bagdads etwa und in der Provinz Dijala, und holte bei Tarmija verwundete Soldaten vom Schlachtfeld. Ihr Abzug fand unter strikter Geheimhaltung statt; begleitende Journalisten durften erst kurz vor der kuwaitischen Grenze berichten.

Die Brigadeführung entschied sich dafür, die Hälfte ihrer 4000 Soldaten auf dem Landweg abrücken zu lassen statt wie üblich auszufliegen. Die über 500 Kilometer lange Fahrt durch eventuell feindliches Gebiet wurde sorgfältig vorbereitet und abgesichert; im Süden war mit Bombenfallen von Extremisten zu rechnen. Doch von Kamelen auf der Fahrbahn und Fahrzeugpannen abgesehen, kam der Konvoi ohne Zwischenfälle durch.

Die letzten Stryker Radpanzer rollten früh am Morgen kurz vor vier Uhr laut hupend über die Grenze. "Das ist bewegend für mich", sagte Brigadeführer Oberst John Norris. "Als Kommandant bedeutet das, dass alle meine Soldaten sicher nach Kuwait gelangt sind und sich bereitmachen, zu ihren Familien zurückzukehren."

Auch Dill ist erleichtert, dass er seine Infanterie-Einheit heil aus dem Irak heraus gebracht hat. "Ich weiß, dass meinen Waffenbrüdern, die gekämpft haben und gestorben sind, dieser Tag wohl viel bedeuten würde - zu sehen, dass wir endlich hier herauskommen."