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Das jahrelange Vakuum war für das Ansehen der heimischen Medien nicht günstig. Jetzt soll zumindest beim Print die Selbstkontrolle gestärkt werden.
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Nach achtjähriger peinlicher Pause wird also auch Österreich wieder einen Presserat zur freiwilligen Selbstkontrolle der Medien - zunächst nur der gedruckten - bekommen.
Seit die Zeitungsverleger am 28. Dezember 2001 den alten Presserat auf Grund chronischer Zwistigkeiten mit dem Vertragspartner, der Journalistengewerkschaft, versenkt hatten, führte Österreichs Boulevard ein erfülltes Leben. Die Zudringlichkeiten im Fall Natascha Kampusch nahmen kein Ende, widerwärtige und unter dem Vorwand psychologischer Aufarbeitung von Kriminalfällen geschriebene Serien über den Amstettener Inzestfall Josef F. und natürlich mediale Ausweidung des selbstverschuldeten Todes des betrunkenen Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider bildeten die Dreitausender im Gebirge medialer Schein- und Unmoral. Noch ein Jahr nach dem Unfall stierlten ein buntes Wochenmagazin und eine auf sämtliche Untergriffe spezialisierte Boulevardzeitung auf dem Umweg über einen dubiosen Herrn "René" in Haiders Sexualleben, ohne sich zu genieren.
Die kritische Frage, die sich geradezu aufdrängt, lautet: Und wenn es einen Presserat gegeben hätte, wäre alles anders gewesen? Die Antwort kann realistischerweise nur lauten: Leider nein. Manche Medienprodukte hätten bestenfalls noch verlogener alle Klippen des Anstands umschifft.
Warum also ein Presserat? Erstens, weil obige Frage nicht die entscheidende ist. Es verlangt ja auch keiner ernsthaft, das Strafgesetzbuch abzuschaffen, weil trotz seiner Existenz unentwegt gestohlen und gemordet wird. Die Gerichtsbarkeit zieht klar und für jedermann erkennbar die Grenzen zwischen Recht und Unrecht und ist schon deshalb unentbehrlich.
Ähnliches sollte der künftige "Verein zur Selbstkontrolle der österreichischen Presse - Österreichischer Presserat" (so lautet der volle Name) zuwege bringen. Er muss die Pflöcke einschlagen, die anzeigen, wo Informationspflicht aufhört und die Befriedigung niederer Sensationslust beginnt. Oder wo die dringend nötige Kritik an einflussreichen Personen und Institutionen in eine gehässige, verleumderische Jagd mit den Waffen der Presse umschlägt. Und auch - das ist ein neues Element in der Konstruktion des Presserates - wo Medien und Journalisten in eigennütziger Weise mit dem Wissen umgehen, das sie über Wirtschafts- und Finanzvorgänge ansammeln. Das ist vermutlich die komplizierteste und nirgends befriedigend gelöste Aufgabe einer Selbstkontrolle. Die EU drängt darauf, weil Medien im Finanzbereich allein in Erfüllung ihrer Aufgaben zu Insidern werden können.
Von den 16 Tageszeitungen, die dem Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ) angehören, hat sich noch keine gegen die Beteiligung am künftigen Presserat gewehrt. Lediglich die Zeitung "Österreich", der die Aufnahme in den VÖZ verweigert wird, meldete bisher Vorbehalte an.
Ein Härtetest für die Funktionsfähigkeit des Presserates wird sich aus der Praxis ergeben. Werden Zeitungen, denen die neue Institution nach fairer Prüfung der Sachlage einen Verstoß gegen den "Ehrenkodex der österreichischen Presse" vorwirft, diese für sie unangenehme Nachricht tatsächlich veröffentlichen, wie das verlangt wird? Und wird der Presserat auch von sich aus den Mumm haben, unverantwortliche Praktiken anzuprangern, selbst wenn kein Beschwerdeführer da ist? An diesen Fragen wird sich unter anderem entscheiden, ob der künftige Presserat so wie der alte als "zahnlos" abgetan und vergessen wird.