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Endlich wieder die Sau rauslassen

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Warum man Donald Trumps Triumph auch als Reaktion auf die jahrzehntelang betriebene Entmännlichung des Mannes deuten kann.


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Eine der interessanteren Erklärungen dafür, warum Donald Trump US-Präsident werden konnte, hat jüngst im "profil" Peter Michael Lingens formuliert: "Primaten - und das sind wir - möchten wie Trump beliebig viele Frauen aufs Kreuz legen. Möchten wie er möglichst viel an sich raffen und als Alphatier sich gegen die Brust trommeln. Ohne sich schuldig zu fühlen. Sigmund Freud hat im Zusammenhang mit den ethischen Beschränkungen, die uns die Zivilisation auferlegt, vom Unbehagen in der Kultur gesprochen. Trump hat seinen Wählern das Behagen in der Unkultur entdeckt."

Wenn das stimmt - und sehr viel scheint dafürzusprechen -, ist Trump nicht trotz, sondern geradezu wegen seines schlechten Benehmens, seines doch eher frauenverachtenden Verhaltens und seiner zahllosen Regelverstöße aller Art gewählt worden, wenn wir von den mittlerweile eh schon detailliert analysierten ökonomischen Gründen einmal absehen.

Eine Wahl als gruppentherapeutisches Auskotzen, sozusagen. Das führt freilich zur Frage, warum dieses Bedürfnis gerade jetzt und gerade bei jenen so heftig aufgetreten ist, die den Kern von Trumps Wählerschaft bilden: meist Männer, meist älter, meist weiß. Warum, jenseits des Ökonomischen, votiert gerade diese Gruppe für das gemessen an zeitgenössischen Standards ganz und gar Unmögliche? Warum genießen sie gerade jetzt "das Behagen an der Unkultur" - und nicht etwa mehr Schwarze, Junge oder Frauen?

Eine mögliche Erklärung: Weil keine andere soziale Gruppe in der jüngeren Vergangenheit so vielen "ethischen Beschränkungen, die die Zivilisation auferlegt", unterworfen war wie die älteren weißen Männer. Noch in Schwarzweiß-Filmen aus den 1960ern kann man fassungslos dabei zusehen, wie Männer zu Mittag drei Martinis kippen, rotes Fleisch essen, danach Zigaretten rauchen, im Lift Frauen mit üppigen Dekolletees ungeniert anmachen, vor ihren Kollegen mit ihren Eroberungen prahlen und dann mit blubberndem Achtzylindern zu Mutti nach Hause fahren.

Was folgte, war ein gigantisches Umerziehungsprogramm. Mann sein, so das neue Dogma der Post-68er-Generation, ist "ein soziales Konstrukt". Was einst als männliches Verhalten völlig akzeptiert war, wird nun immer mehr stigmatisiert.

Also nix mehr Mittagsmartini, saftiges Steak und Frauen anmachen; stattdessen vegane Kost mit Mineralwasser ohne Kohlensäure, mülltrennend, frauenverstehend, Pullover häkelnd, vor dem Sex am besten um eine schriftliche Einverständniserklärung bittend, und Pinkeln nur im Sitzen. Politisches Engagement gerne, aber nur entlang der immer enger werdenden Korridore des politisch Korrekten. Die Liste der einzelnen Reparatur- und Umbaumaßnahmen, mit denen die Sozialingenieure am "Konstrukt Mann" herumgebastelt haben und herumbasteln, ist nahezu beliebig verlängerbar. In den USA lassen Männer bei geschäftlichen Gesprächen mit einer einzelnen Frau übrigens mittlerweile regelmäßig die Türen zum Korridor offen.

Und da kommt Trump daher wie ein Kumpel, der dazu einlädt, all das über Bord zu werfen, und das auch noch völlig ohne Schuldgefühle.

Irgendwie kein Wunder, dass diese Rechnung aufgeht.