Venezuela beginnt als erstes Land der Welt mit dem Verkauf einer eigenen Kryptowährung.
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Caracas/Wien. Seit den vergangenen vier Jahren leidet Venezuela an der schlimmsten Finanzkrise seiner Geschichte. Eine Kombination aus einer monolithisch auf Erdöl ausgerichteten Wirtschaft, internen politischen Verwerfungen sowie internationaler Ächtung der sozialistisch-populistischen Regierung lässt Venezuelas Währung, den Bolivar, ins Bodenlose sinken. Im vergangenen Jahr betrug die Inflationsrate 2400 Prozent. Der Internationale Währungsfonds geht von einer Inflationsrate von sogar 13.000 Prozent 2018 aus. Am Mittwoch kostete ein Dollar fast 232.730 Bolivar auf dem Schwarzmarkt.
Zahlungsmittel abseits von Zentralbanken und Börsen
Nun soll eine Kryptowährung Erleichterung bringen. Sie heißt "Petro", in Anspielung auf die Hauptressource des Landes, und sie soll das Land unabhängig von vermeintlich feindlich gesinnten Außenfaktoren machen. Venezuela ist das erste Land, das eine Kryptowährung herausgibt. Die Kryptozahlungsart wurde schließlich von Internetnutzern perfektioniert, die ihre Geschäfte gern abseits der offiziellen Wege abwickelten, sprich im halblegalen oder ganz illegalen Bereich. Doch mit dem Höhenflug von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum hat die anonyme Zahlungsart per verschlüsseltem Datensatz nicht nur das Interesse von Waffenkäufern erweckt und von Digital Natives, die zu Händlern wurden. Nein, nun sind auch Regierungen an dieser demokratischen Zahlungsart interessiert, die keinen Sanctus von Zentralbanken braucht sowie keiner Aufsicht von Börsen unterliegt und sich überhaupt frei von den internationalen Auflagen bewegen kann. Ideal also für Länder, die sich international schlecht oder unfair behandelt fühlen. Wie etwa Venezuela. Noch dazu, wo gerade eine der verbliebenen Lebensadern Venezuelas bedroht ist.
Washington und Brüssel haben bereits Sanktionen gegen Führungsfiguren der venezolanischen Regierungspartei verhängt, genauso wie auch ein Waffenembargo, unter dem Eindruck der blutigen Proteste gegen die Neuschreibung der Verfassung des südamerikanischen Landes.
Doch all das ist nur ein Säbelrasseln, vergleicht man es mit dem, was noch kommen könnte: Sanktionen gegenüber Venezuelas Erdöl. Denn worüber die USA etwa bei all ihrer Verdammung Venezuelas sehr ungern sprechen: Laut den aktuellst verfügbaren Daten aus 2016 importierten die USA 800.000 Barrel Öl aus Venezuela. Das bedeutet, dass Venezuela - nach Kanada und Saudi Arabien - der drittgrößte Ölimporteur der USA ist.
Damoklesschwert Erdölembargo der USA
Bei den Raffinieren an der US-Golfküste ist Venezuela unangefochtener Platzhirsch. Auch wenn der größte Abnehmer von venezolanischem Erdöl in den USA die Venezolaner selbst sind: Das meiste venezolanische Rohöl in den USA wird von Citgo gekauft, einer Tochter der venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA. Aber weitere sieben US-Unternehmen stehen dem Konsum von Citgo kaum nach, schreibt etwa die "Financial Times".
Auch wenn Venezuela mit Kuba und China noch weitere Kunden hat: Der wichtigste Abnehmer des Erdöls bleiben die USA. Anfang Februar hat aber US-Außenminister Rex Tillerson erstmals öffentlich mögliche Sanktionen gegen die venezolanische Erdölindustrie ins Spiel gebracht.
Kein Wunder also, dass sich Venezuela eher heute als morgen selbständig machen will.
"Im Zuge der Politik, die monetäre Souveränität verstärkt" habe die bolivarische Regierung Venezuelas beschlossen, eine Kryptowährung zu erschaffen, wie es auf der Webseite von Petro heißt. Der Petro werde das Fundament für die Politik der Entwicklung sein, für ein neues Zeitalter der "transparenten, dezentralisierten Märkte, die frei von Manipulation sind, dank dieser Technologie".
Bei den meisten Kryptowährungen ist ein Hauptkritikpunkt, das man mit dem Kauf derselben rein gar nichts in der Hand hat: weder Anteil an einem Unternehmen noch an einer Kornkammer und schon gar keine Garantien.
Das ist bei dem Petro anders: Die digitalen Münzen sollen mit je einem Äquivalent eines Öl-Barrels (159 Liter) aus den venezolanischen Reserven besichert sein. Der venezolanische Staat garantiert zudem, die Kryptowährung als Zahlungsmittel bei Steuern, Gebühren und öffentlichen Dienstleistungen anzunehmen. Referenzwert werde dafür immer der Vortageswert eines Fasses venezolanischen Erdöls sein. Außerdem verspricht die venezolanische Führung, sich zu bemühen, dass der Petro als Zahlungsmittel im Rest des Landes anerkannt wird sowie gar auf der ganzen Welt.
100 Millionen Petro-Münzen sollen es werden
Und während bei Bitcoin nur 21 Millionen Münzen existieren werden, ist Petro fünfmal so stark aufgestellt: Bis 19. März können Interessenten 100 Millionen digitale Münzen zu jeweils etwa 60 Dollar erwerben. Damit käme der Petro auf einen Gesamt-Börsenwert von sechs Milliarden Dollar und würde laut der Nachrichtenagentur Reuters aus dem Stand in die Top Ten der Kryptowährungen einziehen.
Am Mittwoch, dem ersten Vorverkaufstag, seien laut Präsident Nicolás Maduro bereits 735 Millionen Dollar (595,62 Millionen Euro) zusammengekommen. Beweise für seine Aussagen über die Höhe der Einnahmen lieferte Maduro nicht. Berater der Regierung hatten sich dafür ausgesprochen, knapp 40 Prozent der Währung im Rahmen einer Privatplatzierung mit Abschlägen von 60 Prozent anzubieten. Dies geht aus Unterlagen hervor, welche Reuters im Jänner einsehen konnte.
Unklar blieb zunächst, wer die neue Cyber-Devise kauft. Caracas erhoffte sich Investoren aus Katar, der Türkei und anderen Staaten des Nahen Ostens, und vielleicht sogar auch Europäer und Amerikaner.
Die USA warnen davor, den Petro zu kaufen. Dies sei eine Verletzung der Sanktionen, weil es sich um einen Kredit für die venezolanische Regierung handle.