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Finanzkrisen sind das Ergebnis zügelloser Gewinnsucht und exzessiver Schuldenpolitik. Ein Streifzug durch die Geschichte.
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Als am 15. September 2008 die Lehman Bank in New York aufgrund eines überhitzten Subprime-Markts zusammenbrach, platzte einmal mehr eine große Blase, aufgepustet von Gewinnsucht, Nervenkitzel, Risikobereitschaft, Spieltrieb und Übermut. Die Geschichte ist voll davon.
Ein frühes Beispiel liefert die sogenannte Tulipomania des Jahres 1637. Die Tulpenzwiebel stammt aus Armenien und dem Osmanischen Reich. Über den flämischen Gelehrten Charles de l’Écluse (Carolus Clusius), der von 1573 bis 1576 als Hofbotaniker Kaiser Maximilians II. in Wien tätig war, fand sie europaweit Verbreitung. In den Niederlanden war sie besonders beliebt. Ein Mosaikvirus erzeugte eine seltene Vielfalt von Tulpen mit herrlicher Farbenpracht. So wurden sie gesellschaftliches Statussymbol und groß angelegtes Spekulationsobjekt.

Das Geschäft war sowohl durch den Gartenbau Neureicher stimuliert, die Fürstenhöfe imitierten, als auch durch Geldmengenzuwachs. Die Knappheit des Objekts und das Risiko (nur jede zweite/dritte Zwiebel brachte eine schöne Tulpe hervor) steigerten die Begierde. Zwischenhändler profitierten vom Verkauf der Rechte. Nicht immer wurden die gehandelten Blumen gesehen. So regten Gemäldemaler die Fantasie der Interessenten noch an. Preise explodierten und schneller Reichtum entstand. Für die "Semper Augustus" wurden bis zu 5500 Gulden (87.000 Euro nach heutigem Goldgehalt) gezahlt.
Mike Dash hat die Verrücktheit der "Tulipomania" analysiert. Die Blase platzte 1637, als bei einer Auktion in Harlem niemand mehr weiter steigern wollte, was eine Absetzbewegung auslöste und den Wert ins Bodenlose stürzen ließ. Die Verluste waren immens. Eine Prozessflut folgte. Rückblickend war es eine "produktive" Blase: Nach dem Wahn entwickelte sich die Tulpe von einer Blume des Adels und Geldbürgertums zu einer weitverbreiteten Zierpflanze. Der Außenhandel der Niederlande lebt davon: Milliarden Tulpen werden dort jährlich gezogen.
John Laws Kartenhaus

Der genannte Schotte (1671-1729) flüchtete wegen eines Duells mit tödlichem Ausgang von London nach Holland. Der Sohn eines Goldschmieds und Geldverleihers betätigte sich als Glücksspieler und machte so ein Vermögen. Law studierte das Finanzsystem der Bank von Amsterdam genau. Mit seinem Werk "Betrachtungen über Geld und Handel. Ein Vorschlag zur Geldbeschaffung für die Nation" (1705) hatte er auf den französischen Regenten Philippe II. seriös genug gewirkt, um den Staat vor dem Bankrott zu retten, der durch die Kriege und den Prunk von Ludwig XIV. drohte. Law bevorzugte statt Edelmetallgeld aus Gold und Silber ein durch Grund und Boden gedecktes Papiergeld. Kredite sollten die Wirtschaftsdynamik innovativer Unternehmen stimulieren. 1716 avancierte er zum Chef der "Banque Générale" - mit dem Recht zur Ausgabe eigener Banknoten. Zwei Jahre später wurde er Direktor der inzwischen umbenannten staatlichen "Banque Royale" und 1720 zum "Contrôleur Général des Finances".

Nach Philippe II. war er zweitmächtigster Mann Frankreichs ("L’économie c’est moi!"). Mit der Compagnie d’Occident und Law als Hauptaktionär sollte die Staatsschuld durch attraktive Aktienangebote abgetragen werden. Law brachte durch die Notenpresse viel billiges Geld unter die Leute und erwarb zusätzlich Handelsrechte anderer Kompanien in Afrika, China und Indien. Als Direktor der Mississippi-Kompanie verband er die Französische Ost- mit der Westindien-Kompanie, wodurch ein kompliziertes Geflecht des französischen Außenhandelsmonopols entstand. Law wurde schwerreich. Viele Privatanleger versprachen sich attraktive Investments, beseelt vom Glauben, u.a. durch Goldfunde in Louisiana zu verdienen, ohne das Land jemals gesehen zu haben. Als sich herumsprach, dass es dort nichts davon gab, sondern nur ein paar hundert Kolonisten, und darüber hinaus der Regent seine Unterstützung offen ließ, wurde das Geschäftsmodell fraglich. Die Anleger verkauften ihre Aktien weiter.
Die Genfer Demoiselles
Daran hatte Law nicht gedacht. Er verlor die Nerven und verließ Hals über Kopf das Land, um der Lynchjustiz zu entkommen. In Venedig handelte er noch mit Gemälden. Mit seinem Vermögen entschädigte er die Kompanie. Das Bild vom Schwindler ist zudem unzutreffend: Law hatte mit seinem verschachtelten System aus Bank und Kompanien die Finanzen des Staates nicht völlig ruiniert. Es war ein Nullsummenspiel. Der Schuldenstand der französischen Krone war nicht höher als vor 1716. Mit dem massiven Notenumlauf entstanden Infrastrukturprojekte. Reiche wurden jedoch ärmer. Edelmetallgeld kam wieder auf - und das Misstrauen gegenüber Papiergeld schwand in Frankreich nie mehr gänzlich.
In Frankreich blieben die Staatsfinanzen ein Dauerproblem. Ludwig XVI. musste die Generalstände einberufen, um sein Versprechen einzulösen, Zahlungsverpflichtungen einzuhalten und neue Einkommensquellen zu erschließen. Das sollte u.a. durch Leibrenten geschehen, wobei der Käufer dem Staat Geld lieh, wofür er jährlich einen Teil der Summe zurückerhalten sollte. Je älter der Käufer wurde, desto höher fiel die jährliche Auszahlung aus.
Das System ging auf den italienischen Finanzier Lorenzo Tonti (1630-1695) zurück. In einer "Tontine" fassten mehrere Anleger ihr Kapital zusammen. Starb ein Anleger, wurde seine Leibrente an die Überlebenden gezahlt. Wer alle Partner überlebte, erhielt alle Leibrenten - was die Mordlust stimulierte. Das war Glücksspiel, Lebensrisiko und Wertanlage in einem.
In den 1770er Jahren gingen Schweizer Banker jedoch dazu über, Leibrenten im Namen anderer langlebiger Personen zu erwerben. Besonders Gerissene nahmen junge Mädchen zwischen vier und sieben Jahren, denn die meisten Kinderkrankheiten traten bei den Unter-Dreijährigen auf. Ganz raffinierte Genfer Banker wählten 30 Mädchen aus und verwandelten sie in ein Finanzpaket für den französischen Staat: Der sollte die Leibrenten so lange auszahlen, bis das letzte Mädchen das Zeitliche segnen würde. Geschätzte 75 Prozent der Leibrenten liefen damals auf Kleinkinder.
Dieses Konzept ging bis zu dem Tag auf, als Frankreich die aufgrund der teuren Revolutionskriege verursachten, der Öffentlichkeit jedoch unbekannten Schulden durch dieses Verfahren nicht mehr begleichen konnte und zwei Drittel einfach strich.
Statt einer individuellen Anlage für Bürger waren die Leibrenten längst zum Spekulationsobjekt geworden, die das Staatsbudget noch mehr belasteten. Banken in Frankreich und Einzelpersonen hatten die "Trente Demoiselles de Genève" auf breitester Ebene nachgeahmt und das Modell so exzessiv ausgenutzt, dass sie damit die Verbindlichkeiten der Krone noch mehr steigerten und das Ende des Ancien Régime beschleunigten. Die Staatsschulden verfielen, als die Währung im Lauf der Revolution zusammenbrach.
Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 setzte in der Berg-, Maschinenbau- und Eisenbahnindustrie ein Wirtschaftsboom ein. Der Aufschwung war neben Berlin im Rheinland, in Sachsen und Westfalen spürbar. Neue Banken wurden gegründet und expandierten. Binnen weniger Jahre explodierte, befördert durch eine Gesetzesnovelle von 1870, die Zahl der Aktiengesellschaften in Deutschland auf über 900, mit einem Vermögen von fast drei Milliarden Mark. Begünstigt war die Entwicklung durch die fällig gewordenen Kriegsanleihen und die Reparationen nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich.

In Österreich-Ungarn erzielte die Landwirtschaft Rekordernten, worauf die Erträge in den Eisenbahnbau flossen. Viele Industriebetriebe und spekulative Firmen waren entstanden und die Immobilienpreise gestiegen. Zur Bestreitung von Bauvorhaben gaben Hypothekenbanken sorglos Pfandbriefe aus, die als Sicherheit für lediglich halbgebaute oder geplante Häuser fungierten. Aktien konnten damals nur durch Teilsummen gekauft werden, wodurch weniger Zahlungskräftige hoch dotierte Wertpapiere in Erwartung stets steigender Kurse erwarben. Die Nachzahlung sollte mit erhofften Gewinnen erfolgen. Deutsches Kapital strömte noch im Ausmaß von rund einer Milliarde Mark nach Wien. Die Telegraphie beschleunigte den Aktienkauf.
Die Regierung schaute dem Treiben tatenlos zu. Die Kurse stiegen ins Unermessliche. Durch Überangebote fielen die Preise. Kurz nach der mit viel Wachstumsoptimismus eröffneten Wiener Weltausstellung ereignete sich am 9. Mai 1873 der "Schwarze Freitag". Banken und Baugesellschaften brachen zusammen, Insolvenzen häuften sich, Lohnkürzungen und Pleiten folgten. Nachfrage und Produktion gingen zurück. Hauseigentümer verloren. Kredite mit kurzer Laufzeit wurden nicht mehr prolongiert, was noch mehr Anleger zahlungsunfähig machte. Die Habsburgermonarchie war von der Gründerkrise mehr betroffen als das deutsche Kaiserreich. Der Krach hatte jahrelange europäische und globale Folgen. Die Börse in New York musste erstmals in ihrer Geschichte schließen.
Börsensturz 1929
John Kenneth Galbraith sprach vom "Vater aller Krisen": Am Donnerstag, den 24. Oktober - nach europäischer Zeitrechnung der "Schwarze Freitag" -, ereignete sich der bis dato folgenreichste Börsensturz. Einen "Black Friday" hatte es zuvor schon am 24. September 1869 in den USA gegeben. Der eigentlich größere Schreckenstag war aber der 29. Oktober 1929, ein "Schwarzer Dienstag", als in der ersten halben Stunde des Börsenhandelstages eine Verkaufswelle von über drei Millionen Aktien einsetzte.
Dahinter verbarg sich eine gigantische Spekulationsblase, getragen von der Annahme eines ewigen und sich stetig steigernden Wohlstands im Zeichen der "goldenen Zwanziger", wie ihn Präsident Herbert Hoover prophezeite. Die Fließbandproduktion (Henry Ford) lief auf Hochtouren. Zahlreiche neue Investmentfonds und -banken wie die schillernde Goldman Sachs waren börsenfähig geworden. Die Aktie der Radio Cooperation of America (RCA) wuchs von fünf auf 500 US-Dollar. Die Kursanstiege verbreiteten sich über Rundfunk wie ein Lauffeuer. Der Lebensstandard der US-Bürger lag allerdings deutlich über ihren Einkommen. Man lebte auf Pump und pokerte zudem hoch: Aktienkäufe erfolgten durch Firmen, Klein- wie Großanleger millionenfach auf Kreditbasis mit hohem Fremdkapital - all dies in der Erwartung, die Schulden damit zu begleichen.
Eine Börsenaufsicht existierte ebensowenig wie zivil- und strafrechtliche Sanktionen oder börsentechnische Vorkehrungen gegen Überspekulation. Als der Dow Jones bis Mitte Oktober 1929 spürbar zurückging, machten sich Nervosität und Verkaufspanik breit. Massive Stützungskäufe durch Banken und Investmentfonds setzten ein. Die von der Federal Reserve verordnete Geldverknappung ließ die Lage noch eskalieren. Beschwichtigungen fruchteten nichts. Die Kurse waren so eingebrochen, dass die Kredite keine Deckung mehr erfuhren. Die Bankhäuser verlangten ihr Geld zurück und zwangen die Wertpapierinhaber, ihre als Sicherheit angelegten Aktien zu verkaufen, was ihre Verschuldung noch steigerte.
Firmenbankrotte, Massenentlassungen und Konsumeinbruch folgten 1930. Die USA verhängten Importzölle und zogen ihre Kredite für europäische Schuldner aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zurück. Folglich brachen in Europa Banken zusammen. Die Weltwirtschaftskrise schlug 1931 voll durch. Deflationspolitik verfehlte ihr Rettungsziel. Die Arbeitslosenrate stieg auf sechs Millionen in Deutschland. Sie ebnete u.a. Hitler den Weg zur Macht. 1932 waren knapp 90 Prozent der 1929 in der Spitze erreichten Marktkapitalisierungen vernichtet. Franklin D. Roosevelt folgte 1933 Hoover in den USA und startete den "New Deal" gemäß Vorstellungen des englischen Ökonomen John Maynard Keynes.
Schwarzer Montag 1987
Der 19. Oktober 1987 ging ebenfalls in die Geschichte der Finanzcrashs ein. Mit 22,6 Prozent hatte der Dow Jones den bis dato größten Tagesverlust aller Zeiten in der Wall Street zu beklagen, ein Absturz, der sich rasch auf internationale Börsen auswirkte. Ausgangspunkt war die sogenannte "Portfolio Insurance" mit ihrem vollautomatisierten Wertpapierhandel. Die Ökonomen Fischer Sheffey Black und Myron Samuel Scholes hatten 1973 ein finanz-mathematisches Modell zur Überwachung der Börse und zur Weiterleitung von Aufträgen entwickelt. Der angeblich gesicherte Kauf und Verkauf von Aktien wurde durch Computer gesteuert.
Der Regierung von Ronald Reagan war es indes nicht gelungen, das US-Handelsbilanz-Defizit, das bei über 150 Milliarden US-Dollar lag, und die Inflation unter Kon-trolle zu bringen. Der "Louvre Accord" vom 26. Februar 1987 der G6-Staaten hatte schon zur Stabilisierung der Wechselkurse und des abgewerteten Dollars beitragen müssen. US-Finanzminister James Baker kündigte in der "New York Times" am 18. Oktober an, den Dollar nicht mehr zu stützen, wenn die Deutsche Bundesbank im Streit um die Frage der Erhöhung der Zinsen nicht mitziehen würde. Damit war ein unmittelbarer Auslöser des "Schwarzen Montags" gegeben.
Kurz zuvor hatte schon ein Verkaufstrend von Aktien eingesetzt. Eine amtliche Untersuchungskommission unter Senator Nicholas F. Brady hatte die anschwellende Geldmenge, eine Übernahmewelle sowie entsprechenden Inflationsdruck als Ursachen ausgemacht. An der globalen Leitbörse in New York wechselten 600 Millionen Aktien ihren Besitzer. Der Handel hatte sich derart intensiviert, dass die überforderten Computer ausfielen. Es gab an diesem einen Tag einen 500 Milliarden schweren Aktienwertverlust. US-Notenbankchef Alan S. Greenspan veranlasste umgehend eine Liquiditätsflut. Alle Zahlungsverpflichtungen wurden übernommen und Ankäufe von Staatsanleihen in Milliardenhöhe veranlasst, sodass im Dezember wieder ein Kursplus zu verzeichnen war.
Damit zog er eine Lehre aus der Krise von 1929. Mit Zinssenkungen der FED, einer Liquiditätsschwemme, Beschränkung des Aktienhandels und durch Rückkauf von Aktien konnten ein weiterer Absturz sowie eine globale Ausweitung der Katastrophe abgewendet werden. Niedrigzins- und Stützungspolitik blieben jedoch fraglich, zumal sie neuerlich zu übergroßer Risikobereitschaft (ver-)führten.
Die Dotcom-Blase
Die "Business Week" nannte ihn euphorisch "Cartoon König": Der deutsche Unternehmer Thomas Haffa expandierte mit seiner 1989 gegründeten "EM.TV" durch Börsengang ab 1997 bis zum Februar 2000 in unvorstellbarem Ausmaß. Das geschah durch Erwerb von TV-Übertragungsrechten, Unterhaltungsfilmen und Kinderprogrammen, den Einstieg in die Formel-1-Berichterstattung und die Übernahme des Hollywood-Studios Jim Henson Company ("The Muppet Show").
Die unendlichen Möglichkeiten der "neuen Wirtschaft" verkehrten sich jedoch rasch ins Gegenteil. Der Zusammenbruch der EM.TV & Merchandising und die öffentliche Demontage des früheren BMW-Lehrlings und Schreibmaschinenverkäufers Haffa kamen für viele Kleinaktionäre überraschend. Der schier unaufhaltsame und unheimliche Erfolg war durch waghalsige Deals mit hohen Kaufsummen, trickreiche Geschäfte, Phantasieprojekte, Shopping-Exzesse sowie hohe Rückzahlquoten und Überbewertungen der Firma an der Börse zustande gekommen. Der EM.TV-Börsenwert entsprach dem 86-fachen Umsatz des Unternehmens - der Walt-Disney-Börsenwert brachte es im Vergleich dazu nur auf den 2,3-fachen Wert.
Der gigantomanische Aufstieg und der unerwartete Absturz durch spekulative Unternehmenspolitik war für die Einbrüche an der Deutschen Börse im Laufe des Jahres 2000 symptomatisch. Das Geld kam nicht von unternehmerischer Produktivität und solider Wertschöpfung, sondern von der Börse. Es ließ sich durch unbedenklich mitspielende Anleger mühelos vermehren.
Was die Geschichte lehrt
Die Blase war im Zeichen des wundersamen Internets, der Mobilfunkgeräte und von Medien beflügelt worden. Der DAX erreichte ungeahnte Höhenflüge, weil auch Siemens, SAP, Mannesmann und Telekom hohe Kursgewinne erzielten und (vorerst) die Rendite stimmte. Es handelte sich jedoch um teils unbekannte, teils überzeichnete Papiere.
Nach dem Massenansturm setzte ab dem Frühjahr 2000 allgemeines Unbehagen ein. Als die Wachstumserwartungen fielen, tauchten "Todeslisten" auf. Ausbleibende Umsätze führten zum Kursrückgang im Juni. Die Telekom-Aktie von Ron Sommer erzielte keine großen Emissionsgewinne mehr. Hunderte Aktien, die in den Vormonaten mit hohem Wert notiert hatten, wiesen nur noch zweistellige Zahlen auf. Sie entpuppten sich als Papiertiger. Fehlende Aufklärung über die Anlegerrisiken führten zu Gerichtsverfahren, zumal auch Umsätze vorgespiegelt wurden, die nicht existierten.
Die Geschichte lehrt, dass Spekulationsblasen wiederkehren. Die Palette der Spekulationsobjekte weitete sich stets aus. Verbesserte technische Möglichkeiten ließen die Zeitabstände geringer werden. Gier spielt die entscheidende Rolle. Sie scheint in der Natur des Menschen zu liegen. Persönliche Bescheidenheit, individuelle Selbstbeherrschung, eine Politik der Nachhaltigkeit und staatlich-unternehmerische Verantwortung können den Exzessen entgegenwirken. Andernfalls kommt die nächste Finanzkrise bestimmt, wie es historisch bewiesen ist.
Michael Gehler, geboren 1962 in Innsbruck, leitet das Institut für Geschichte an der Universität Hildesheim und ist Jean-Monnet-Professor für vergleichende Geschichte Europas und der europäischen Integration.