)
Seit 16 Jahren ist der Verbund mit massiven Widerständen gegen die geplante 380-kV-Leitung durch die Steiermark konfrontiert. Diese haben bisher den Bau der "Kainachtalleitung" verhindert. Während der Stromkonzern auf ständige Überlastungen der alten 220-kV-Leitungen verweist, warnen die Gegner vor einer "Atomstromautobahn" und fordern stattdessen einen massiven Ausbau erneuerbarer Energieformen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Derzeit läuft eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die mehr Klarheit in die Angelegenheit bringen soll. Neben vielen anderen Themen (u.a. Belastungen der betroffenen Bewohner und Landschaftszerstörung) ist der Zusammenhang zwischen dem Leitungsbau und dem Import bzw. Transit von Atomstrom seit Beginn der Diskussion ein Dauerbrenner.
Dieses Thema gewann vor wenigen Wochen noch zusätzlich an Brisanz, als Verbund-Generaldirektor Hans Haider ankündigte, die schon seit gut zehn Jahren projektierte 380kV-Leitung zwischen Wien-Bisamberg und Bratislava-Stupova bauen zu wollen.
Bei dem so heiß umkämpften Abschnitt der 380kV-Leitung zwischen Rotenturm (Südburgenland) und Zwaring in der Nähe von Graz geht es um den Lückenschluss des österreichweiten Hochspannungsringes, durch den laut Verbund "die Versorgungssicherheit enorm erhöht wird". Die zweite Lücke befindet sich in Salzburg, auch hier wird in einigen Monaten mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung begonnen werden.
Dauerprobleme durch Überlastung der Leitung
Zumindest beim steirischen Projekt scheint zwischen Befürwortern und Gegnern nur darüber Übereinstimmung zu herrschen, dass die bestehende 220kV-Leitung überlastet ist. "Wir müssen immer wieder Verbraucher vom Netz nehmen und Kraftwerksbetreiber verpflichten, Strom zu erzeugen. Das ursprünglich nur für Notfälle vorgesehene Engpassmanagement ist Routine geworden", versucht Heinrich Schmid, Mitarbeiter der Presseabteilung des Verbundes die Dramatik aus der Sicht des Stromkonzerns deutlich zu machen. Der Verbund könne dem gesetzlichen Auftrag, eine gesicherte Stromversorgung zu gewährleisten, nur mit dem Bau der 380 kV-Leitung nachkommen. Ähnlich sieht die Situation Michael Muhr, Leiter des Institutes für Hochspannungstechnik und Systemmanagement an der TU Graz: "Eine Dringlichkeit des Baus ist gegeben, da die alte 220 kV-Leitung zirka 50 Jahre alt und der Energiebedarf stark gestiegen ist."
Bürgerinitiative weiterhin gegen neuen Leitungsbau
Richard Hubmann, Sprecher der Bürgerinitiative gegen die 380kV-Leitung, kontert: "Die bestehenden Leitungen sind ausreichend und ertragen den üblichen Transit, der im europäischen Netz vorkommen kann." Ein erheblicher Teil der Leitungsbelastung gehe aber auf das Konto Italiens, das massiv von Stromimporten abhängig sei.
In diesem Zusammenhang verweist Hubmann auf die Stromexportländer Frankreich, Polen und Slowakei, die zum Teil massiv auf die Kernenergie setzen und nennt den - für ihn - springenden Punkt: "Österreich spielt dabei für den Transit eine große Rolle."
Das Gegenteil sei der Fall, meint Schmid: Erstens gebe es formell durch das seit kurzem bestehende zusammenhängende europäische Stromnetz keinen Transit mehr. Zweitens habe sich dieser Wert immer nur im einstelligen Prozentbereich bewegt.
Stromverbrauch in Graz um das Doppelte gestiegen
Das Hauptproblem sei daher die "dramatische Gefährdung" der Versorgung in Südösterreich, wofür es zwei Erklärungen gebe: Den doppelt so stark gestiegenen Stromverbrauch im Großraum Graz im Vergleich zu Gesamtösterreich sowie die weit höhere Stromproduktion im Norden und Osten Österreichs im Vergleich zum Süden. Kurzum: Um dieses Ungleichgewicht handhaben zu können, müsse die leistungsfähigere Leitung gebaut werden.
Auch den Vorwurf, mit der 380 kV-Leitung könne Italien besser über Österreich mit (Atom-)Strom versorgt werden, bestreitet Schmid heftig: "Bei Lienz gibt es eine ganz schwache Leitung nach Italien mit 220 kV, über die man de facto kaum etwas transportieren kann. Diesen Umstand würde ein Lückenschluss der 380 kV-Ringleitung mittelfristig auch nicht ändern."
Diese Aussagen sind für Bürgerinitiativen-Sprecher Hubmann aber nur die halbe Wahrheit: "Was die Leitung nach Italien betrifft, so ist Italien über Slowenien an Österreich angebunden".
"Atomstrom wird in Speicher-Kraftwerken veredelt"
"Ein Teilabschnitt dieser 380 kV-Leitung führt von Zwaring bei Graz (Anmerkung: ein Endteil des umstrittenen Lückenschlusses) bis Maribor." Zum anderen sei sehr wohl vom Verbund eine 380kV-Leitung von Lienz nach Italien projektiert, um diesen Engpass zu beseitigen.
Auch für den vom Verbund ausgewiesenen geringen Anteil des "Stromtransites" gibt es laut Hubmann eine schlüssige Antwort: Der Verbund kaufe billigen (Atom-)Strom, pumpe auch damit das abgelassene Wasser der Speicherkraftwerke wieder hinauf und verkaufe den anschließend in diesen Speicherkraftwerken erzeugten Spitzenstrom für teures Geld. Dabei handle es sich um eine "Veredelung von Atomstrom".
Die Beteuerung des Verbundes, die 380 kV-Leitung ausschließlich zur Sicherstellung der Energieversorgung zu bauen, ohne davon wirtschaftlich zu profitieren, sieht Hubmann dementsprechend ebenfalls nur als einen Teil der Wahrheit: "Für das Verbund-Tochterunternehmen, den Netzbetreiber APG, stimmt die Aussage, da handelt es sich um ein Nullsummenspiel. Aber das andere Tochterunternehmen, der Kraftwerksbetreiber Austrian Hydro Power (AHP) würde aus der Leitung Nutzen ziehen, indem es mehr Spitzenstrom verkaufen kann."
Die 380kV-Leitung würde Österreich bzw. die Steiermark dazu verführen, den falschen Weg zu gehen, mahnt Hubmann. Anstatt sich den Atomstrom "von dort zu holen, wo die Bevölkerung nicht so sensibel ist", wäre es aus seiner Sicht wichtig, auf heimische, erneuerbare Energien umzusteigen. Im ersten Schritt gelte es, mit Ökostromanlagen wie Biogas wenigstens die jährlichen Stromverbrauchssteigerungen abzudecken. "Deshalb arbeiten wir eng mit regionalen Initiativen zusammen", so Hubmann.
http://www.verbund.at .
http://www.380kv-ade.at .