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Die Bürger sollten sich hüten, jede Schlagzeile zum Nennwert zu nehmen. Aber das wissen die meisten ohnehin. Gerade bei Themen, die einem auch selbst ein Anliegen sind, fällt es nie leicht, den richtigen Ton in knackigen Worten zu treffen.
So titelte etwa das renommierte Politikmagazin "Cicero" in seiner April-Ausgabe mit einer brennenden EU-Fahne und der Schlagzeile "Feueralarm - Europa vor der Schicksalswahl"; im Heftinnern war dann von einem "Endspiel um Europa" zu lesen.
Die Magazinmacher sind in guter Gesellschaft. Vor allem im deutschen Sprachraum überbieten einander Medien darin, die EU-Wahlen am 26. Mai zur Entscheidungsschlacht über Wohl und Wehe der hiesigen Zivilisation hochzujazzen.
Dabei rangierten in der öffentlichen Wahrnehmung (und auch in jener der Parteien) die EU-Wahlen jahrzehntelang unter ferner liefen. Die Geringschätzung war damals so falsch, wie es die Überhöhung heute ist. Wahlen besiegeln grundsätzlich kein Schicksal, sondern begründen immer nur die Zuweisung von Machtanteilen für einen begrenzten Zeitraum. Über mögliche inhaltliche Entscheidungen ist damit noch nicht allzu viel gesagt, diese werden mindestens so sehr von den Erfordernissen und Stimmungen der Umstände wie von den weltanschaulichen Positionen der Politik bestimmt.
Aber das zu vermitteln ist natürlich mühsam, um wieviel einfacher lässt sich dagegen von einem "Endspiel" und einer "Schicksalswahl" faseln.
Und weil sich weder über das Ende noch über das Schicksal politisch gut streiten lässt, wäre es außerdem an der Zeit, dass sich Debatten um europäische Streitfragen nicht länger nach den Prinzipien manichäischer Machtkämpfe abspielen, die zwischen den Kräften des Lichts und den Horden der Finsternis ausgetragen werden.
Ein nüchterner Blick auf die politische Realität in der EU zeigt nämlich, dass - wenn es um alltagsrelevante Themen wie wirtschaftliche Integration, Migrationsmanagement oder Erweiterung geht - dieses vorgebliche Schwarz-/Weiß-Schema schnell von Grautöne durchbrochen wird. Alles Konkrete ist der ärgste Feind der großen Vereinfacher in allen Lagern. Das ist umso notwendiger, gerade, weil die EU noch so ein unfertiges, mitten in der Konstruktionsphase befindliches politisches Gebäude ist. Wunderwerke zu erreichten, die dann auch Bestand haben, verlangt Zeit. Bei Notre-Dame dauerte es fast 200 Jahre.
Um einen Beitrag zu leisten, die EU-Wahl von einem "Endspiel" auf konkrete Streitfragen herunterzubrechen, startet die "Wiener Zeitung" einen Online-Wahlhelfer. Wer ihn ausprobiert, erhält einen Hinweis, welche Partei inhaltlich am ehesten zu seinen persönlichen Ansichten passt.