Atom-Verhandlungen gehen in die Verlängerung.
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Wien. "Die Gespräche machen viele Fortschritte, aber wir sind noch nicht am Ziel." Diesen Satz hat man die letzten Wochen, Tage und Stunden in unterschiedlichen sprachlichen Versionen vor dem Wiener Palais Coburg gehört. 600 Medienvertreter und 300 Verhandler sind dort schon seit mehr als zwei Wochen vor Ort, um über den Atomstreit zwischen der 5+1-Gruppe (die fünf Vetomächte plus Deutschland) und dem Iran zu berichten beziehungsweise zu entscheiden. Eigentlich hätte dem US-Kongress schon bis Freitagfrüh 6 Uhr ein Abkommen unterbreitet werden sollen, damit dieser innerhalb von 30 Tagen darüber abstimmen kann.
Am Freitag war das einzige Faktum, das gesichert war, dass es mit den Verhandlungen weitergeht. Keiner wusste, wie lang. Auf die Frage, ob es am Freitag bereits einen Deal gebe, meinte der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif vom Balkon des zweiten Stockwerks des Nobelhotels hinunter: "Ich glaube eher nicht." Ob er am Montag noch hier sein werde, wollten andere wissen. "Ich hoffe nicht", antwortete Zarif, der bestens gelaunt schien. Zweckoptimismus versprühte auch der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Am Ende wird hoffentlich alles gut", sagte er.
Im 13 Jahre andauernden Konflikt rund um die umstrittene iranische Urananreicherung deutete sich am Ende der Woche als weiter ein Endspurt auf Raten an. Beide Seiten pokern hoch. Worum geht es?
US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Zarif tragen eine sehr große Last auf ihrem Rücken. Sie wollen beide einen Deal, der politische Spielraum der beiden Politiker ist jedoch begrenzt. Denn zu Hause in Washington und Teheran wurden "rote Linien" vorgegeben. Deshalb ist es trotz aller Anstrengungen und politischem Willen schwer, auf einen grünen Zweig zu kommen.
Dabei hat es nie besser ausgesehen als jetzt. Bei technischen Fragen ist der 80 Seiten umfassende und fünf Anhänge beinhaltende Text fast fertig. "Aber einen Deal gibt es erst, wenn alle Punkte geregelt sind, nicht 96 Prozent", meinte ein US-Verhandler.
Knackpunkt Waffenembargo
Teheran möchte, dass die schmerzhaften Wirtschaftssanktionen und das Öl-Embargo möglichst bald aufgehoben werden - und zwar in einem Zug. Die internationale Staatengemeinschaft will die Strafmaßnahmen aber erst dann suspendieren, wenn der Iran seine nuklearen Verpflichtungen im Vertrag nachweislich erfüllt hat. Die Atomenergiebehörde (IAEA), die für eine Implementierung zuständig ist, muss dies dann bestätigen.
Der Iran muss unter anderem nach einer Einigung seine Bestände niedrig angereicherten Urans drastisch reduzieren, viele Zentrifugen zur Urananreicherung müssen abgebaut werden. Zudem will der Westen, allem voran Frankreich, einen Sanktionsautomatismus ohne UNO-Mandat, wenn Teheran sich nicht an den Deal hält. Der Iran lehnt dies ab.
Ein weiteres rotes Tuch ist die Inspektion von Militäranlagen. der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hat dem bereits einen Riegel vorgeschoben. Letztlich urgiert Teheran - mit starker Rückendeckung Russlands - die Aufhebung von UN-Waffenembargos. "Das Waffenembargo gegen den Iran sollte so schnell wie möglich fallen", sagte kürzlich Außenminister Sergej Lawrow. Der Westen jedoch befürchtet, dass der Iran in der Folge auch seine Unterstützung von Gruppen wie der libanesischen Hisbollah-Miliz, der Palästinenserorganisation Hamas oder der Huthi-Rebellen im Jemen verstärken könnte. Und eine nicht uninteressante Frage ist auch die Formulierung des Deals in Farsi und Englisch. Auch hier gibt es beim genauen Wortlaut der Übersetzungen immer wieder Reibungspunkte. Der Atompoker geht also weiter.