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Endspurt für EU-Reform

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Italien und Polen bereiten Sorgen. | Brüssel/Lissabon. Fast alle Hürden für den neuen EU-Reformvertrag scheinen vor dem heute, Donnerstag, beginnenden Treffen der Staats- und Regierungschefs ausgeräumt. Es gebe "keinen Grund und keine Entschuldigung, nicht zu einer Einigung zu kommen", sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso.


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Das einzig wirklich verbliebene politische Problem dürfte Italiens Widerstand gegen die vom EU-Parlament vorgeschlagene künftige Mandatsverteilung sein, bei der das Land schlecht abschneidet. Gelöst scheinen dagegen Polens Anliegen: Es bekommt den Mechanismus zur kurzfristigen Blockade von Mehrheitsentscheidungen (Ioaninna-Klausel) verbrieft, allerdings nicht als direkten Vertragsbestandteil. Auch ist die Aufstockung der derzeit acht Generalanwälte im Europäischen Gerichtshof auf zwölf im Gespräch; Polen könnte so einen ständigen Vertreter erlangen. Trotz der Lösung bleiben Diplomaten vorsichtig: Nur zwei Tage vor der Wahl in Polen könne niemand das Verhalten Warschaus vorhersagen.

Migranten mitgezählt

Schwerer wiegt das Anliegen von Italiens Premier Romano Prodi. Er will die Verkleinerung des EU-Parlaments nur grundsätzlich beschließen. Maximal 750 Sitze, höchstens 96 pro Mitgliedsland und mindestens sechs, stehen im Reformvertrag. Die genaue Aufteilung will Prodi aufschieben. Denn beim Vorschlag des Parlaments verlöre Italien mit sechs Sitzen die meisten und hätte mit 72 erstmals weniger als die anderen großen Gründungsmitglieder Frankreich (74) und Großbritannien (73).

Mehr noch: Unter der Hand wird den Franzosen vorgeworfen, sich bei der Mandatsstärke zu Unrecht auf den zweiten Platz hinter Deutschland vorgeschoben zu haben. Da die Neuverteilung laut Parlament auf der Anzahl der Einwohner und nicht der Staatsbürger beruht, profitiere Frankreich von Millionen Einwanderern ohne Staatsbürgerschaft. Im Gegenzug lebten Millionen italienischer Staatsbürger im Ausland - das aufgerechnet müsste Italien mehr Sitze als Frankreich erhalten, so der kühne Schluss. Spanien schneidet dagegen gut ab, soll daher auf der Fixierung der Sitzverteilung beharren.

Experten gehen dennoch von einer Verschiebung des Problems aus, um den Reformvertrag nicht zu gefährden. Ähnliches wird für das bulgarische Problem der Schreibweise des Euro in Kyrillisch erwartet.