Der laufende EU-Wahlkampf erinnert fatal an einen Stammtischspruch, wonach der Faule erst am Abend fleißig wird. Der Termin für die Wahl zum Europäischen Parlament am kommenden Sonntag steht seit geraumer Zeit fest. Parteien wie Politiker wissen um die - gelinde gesagt - skeptische Grundhaltung der Österreicher zur EU, kennen die gängigsten Sorgen und Vorurteile; sie wissen aber auch um die Tatsache Bescheid, dass nur eine kleine Minderheit der Bürger für einen Austritt aus der Union zu haben wäre.
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Eigentlich gar keine so schlechten Voraussetzungen für einen inhaltlich akzentuierten Wahlkampf, könnte man meinen, der die künftige Entwicklung der EU zum Gegenstand haben hätte können. Stattdessen trieben die Parteien dem Wahltag entgegen, ganz so als wären sie nicht Taktgeber in diesem politischen Prozess, sondern passive Passagiere.
Die einzige Partei, die sich offensichtlich strategisch auf diesen Wahlgang vorbereiten hat, scheint die FPÖ zu sein, welche die EU-Wahl als Generalprobe für die kommende Wiener Landtagswahl ansieht, bei der Heinz-Christian Strache Anspruch auf den Bürgermeister-Posten erheben will. Tatsächlich ist Strache der einzige Parteichef, der die Wahl als persönlichen Testlauf interpretiert und deshalb auch von den Plakatflächen herunterlächelt. Auch bei ihren polarisierenden Themen, Slogans und Emotionalisierungs-Strategien scheinen die Blauen bereits die Wien-Wahl im Hinterkopf zu haben.
Das hätten sich die anderen Parteien zwar auch vorher schon ausmalen können, aber bitte. Immerhin haben sie - besser spät als nie - vergangene Woche doch noch zu Wahlkampftemperatur gefunden. Bei SPÖ und Grünen bedurfte es dazu der verbalen Entgleisungen des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf. Die ÖVP nutzte die Themen Türkei-Beitritt, Kriminalität und EU-Asylrichtlinie als Trittbrettfahrer, um ihren rechten Rand abzusichern und im Vorbeigehen der SPÖ eins auszuwischen.
Diese revanchiert sich mit Attacken auf die Lobbying-Tätigkeit des schwarzen Spitzenkandidaten. Kleine Gemeinheiten unter Koalitionspartnern eben. Ob dieser Endspurt reicht, das Blatt zugunsten der beiden ehemaligen Großparteien zu wenden, denen sämtliche Umfragen Verluste vorhersagen, darf bezweifelt werden.
Davon scheinen auch die beiden Parteichefs überzeugt: Werner Faymann und Josef Pröll übten sich in den letzten Wochen in nobler Zurückhaltung. Nur in der Causa Graf kamen beide um Stellungnahmen nicht herum. Während Faymann auf Offensive schaltete und eine Frontalattacke gegen die FPÖ ritt, entschied sich Pröll für die sanfte Variante.
Ob eine der beiden Strategien erfolgreich war, wird der Wahlabend kommenden Sonntag zeigen.