Zum Hauptinhalt springen

Endspurt zur EU-Erweiterung

Von Thomas P. Spieker

Europaarchiv

Brüssel - Die entscheidende Phase des Rennens zur EU-Erweiterung hat begonnen. Zehn Kandidaten gehen in den Endspurt um einen der begehrten Plätze unter der blauen Fahne mit dem gelben Sternenkreis. Zwei weitere, Bulgarien und Rumänien, hinken weit hinterher. Und einer, die Türkei, wurde wegen Menschenrechtsverstößen und Wirtschaftschaos noch gar nicht an den Start gelassen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die jetzigen EU-Mitglieder werden am Ende ohnehin keinen Ersten oder Zweiten ausrufen, sondern nur über drinnen oder draußen entscheiden. Die Brüsseler Kommission hat in ihrer Zwischenbilanz aber deutlich gemacht, wer das Feld anführt: Zypern und Malta, die beiden Inseln im Mittelmeer, haben es schon fast geschafft. Der Abschluss der Verhandlungen ist im nächsten Jahr, die Aufnahme in die EU dann für 2004 zu erwarten.

Für die acht anderen dagegen steht nur fest: Sie könnten dieses Zeitziel ebenfalls erreichen, müssen sich aber noch mächtig ins Zeug legen. Zwar schreitet die Anpassung an die EU-Standards stetig voran, wobei es aber zum Beispiel in Polen bereits Verzögerungen gibt. Doch zunehmend wird deutlich, dass die Übernahme von Vorschriften eine Sache ist, ihre Anwendung in der täglichen Praxis eine ganz andere.

Nahezu überall fehlen die entsprechenden Behörden sowie gut ausgebildete und motivierte Beamte. Scheinbare Kleinigkeiten, etwa mangelnde Vergleichbarkeit statistischer Systeme oder fehlende Übereinstimmung der Datenerfassung bei den Finanzverwaltungen, können im vereinten Europa große Folgen haben. Mit einem Extraprogramm will Brüssel den Kandidatenländern deshalb beim weiteren Aufbau der Verwaltung helfen.

Dabei gilt es ein weiteres Problem zu lösen. "Korruption, Betrug und Wirtschaftskriminalität bleiben in den meisten Bewerberländern weit verbreitet", heißt es in dem Brüsseler Bericht. Misswirtschaft wird häufig auch mit EU-Geldern betrieben.

Doch noch andere Hürden stehen auf dem Weg zur erweiterten EU. Zypern, Musterschüler des Anpassungsprozesses, ist nach wie vor geteilt. Die EU möchte die ganze Insel aufnehmen, deren von der Türkei erzwungene Spaltung sie nie anerkannt hat. Doch Ankara denkt bislang nicht daran, den von ihr kontrollierten Norden aus der Abhängigkeit zu entlassen. EU-Diplomaten sind sich wiederum sicher, dass das EU-Mitglied Griechenland den Beitritt keines einzigen Landes akzeptieren wird, solange nicht auch die befreundete Republik Zypern im Süden der Insel dabei ist. Auch EU-intern stehen schwierige Auseinandersetzungen bevor. Um wie geplant mit den Beitrittskandidaten im nächsten Jahr über die Anpassung der Agrar- und der Regionalpolitik zu sprechen, müssen die 15 heutigen EU-Mitglieder erst noch gemeinsame Verhandlungspositionen finden. Das dürfte nicht konfliktfrei geschehen, handelt es sich doch um jene Bereiche, in die Brüssel jährlich besonders viel investiert.