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Favoritens Neo-Bezirkschef Marcus Franz stellt sich gegen das Projekt, die Stadt hält an der Standortpräferenz fest.
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Wien. Der neue Chef von Favoriten ist kaum ein paar Tage im Amt. Vergangenen Mittwoch wurde Marcus Franz (SPÖ) von der Bezirksvertretung zum Nachfolger seiner Parteigenossin und Langzeitbezirksvorsteherin Hermine Mospointner, die sich in die Pension verabschiedet, gewählt. Den ersten Konflikt mit dem Rathaus hat er jedoch schon vom Zaun gebrochen, als er sich auf Radio Wien gegen ein geplanter Fernbusterminal am Verteilerkreis stellte.
"Ich bin gegen einen Fernbusterminal am Verteilerkreis. Keiner kann heute sagen, wie täglich 700 Fernbusse zu- und abfahren sollen. Es bringt keine Arbeitsplätze nach Favoriten und auch sonst hat der Bezirk davon keinen Nutzen, die Abgase sind der Lebensqualität nicht zuträglich", betont der Neo-Bezirkschef auch gegenüber der "Wiener Zeitung".
Die Standortsuche für einen internationalen Busterminal in Wien, der den jetzigen Standort in Erdberg ablösen soll, zieht sich schon seit mehreren Jahren hin. Die Absage von Marcus Franz dürfte der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sauer aufstoßen, die sie sich in der Vergangenheit klar für Favoriten als Busterminal-Standort ausgesprochen hatte. "Es hat eine vertiefende Untersuchung möglicher Standorte gegeben. Dabei hat sich gezeigt, dass der Standort Favoriten sowohl aus technischer, zeitlicher als auch ökonomischer Sicht der geeignetste Standort für einen Fernbusterminal ist", erklärt man dazu in ihrem Büro auf Anfrage.
Zudem sei es "bedauerlich, dass der neue Bezirksvorsteher des 10. Bezirks öffentliche Festlegungen zum Fernbusterminal vornimmt, ohne ein Gespräch mit dem Ressort geführt zu haben. Wir laden ihn gerne ein, sich die Details anzusehen und dies nachzuholen", sagt ein Sprecher.
Erdberg noch nicht ausgelastet
Aktuell hat sich neben dem Verteilerkreis noch das Ernst-Happel-Stadion nahe des Praters als Möglichkeit herauskristallisiert. Hier legt sich jedoch die grüne Bezirkschefin Gabriele Lichtenegger - vor allem aus Angst um höheres Verkehrsaufkommen - quer. Oder man bleibt alternativ beim bisherigen Standort in Erdberg, der nach Möglichkeit ausgebaut wird. Die Unzufriedenheit ist jedenfalls groß. "Wien braucht einen zeitgemäßen Busterminal. Es ist klar, dass die Stadt mit den derzeitigen Gegebenheiten nicht unbedingt eine Visitenkarte als Weltstadt abliefert. Dessen sind sich alle Beteiligten bewusst und auch in der Branche sind sich alle dazu einig", erklärt Ernst Pollak, Spartengeschäftsführer für Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer Wien (WKW).
Selbst Thomas Blaguss, Geschäftsführer des gleichnamigen Busunternehmens und Betreiber des Terminals in Erdberg, hatte dem Standort im Jahr 2014 als "einer Weltstadt unwürdig" bezeichnet. Blaguss hat in der Zwischenzeit "im Rahmen seiner Möglichkeiten ohne öffentliche Förderungen viel investiert und die Welcome-Atmosphäre um ein Vielfaches verbessert", erklärt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage. Die Kapazitäten in Erdberg seien durch interne Maßnahmen überdies optimiert worden und die Kapazitätsgrenze des Terminals noch nicht erreicht, heißt es.
Visitenkarte der Stadt
Auch der Wien Tourismus plädiert seit langem für den Bau eines neuen internationalen Busterminals. Immerhin sei dies auch eine Visitenkarte für die Stadt, meint eine Sprecherin. "Grundsätzlich kommen die meisten unserer Gäste mit dem Flugzeug. Der Bus ist jedoch auch ein beliebtes Verkehrsmittel. Dementsprechend sollten sie eine schöne Willkommenssituation vorfinden", erklärt man dort auf Anfrage. Bei Blaguss betont man, dass die Nachfrage nach nationalen und internationalen Fernbusreisen in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen sei. Zudem wären viele junge Städter mobil, hätten aber kein eigenes Auto. Fernbusreisen seien nachhaltig etabliert und nicht mehr wegzudenken, so eine Sprecherin.
Keine Präferenzen
Zu den notwendigen Rahmenbedingungen für einen modernen Busterminal zählen "neben gut geplanten Ankunfts- und Abfahrtssituationen für die Reisenden, Sanitäranlangen, Bistro, Ticketschalter und Wartebereiche auch genügend Haltestellen, Busparkplätze sowie Ruheräume für Lenker", heißt es bei Blaguss.
Worüber sich sowohl WKW als auch Tourismus und Blaguss einig sind, ist die Notwendigkeit einer direkten Anbindung an das höherrangige Straßennetz sowie Öffianbindungen für die Touristen. Eine Standortpräferenz wollen aber auch weder der Tourismus, der auf die Entscheidungskompetenz der Stadt verweist, noch die WKW abgeben. "Außerdem hat es bisher noch nicht einmal die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs mit Herrn Franz gegeben. Und davor werden wir einander sicher nicht gegenseitig Ideen über Zeitungen ausrichten lassen", begründet Spartengeschäftsführer Pollak das diesbezügliche Schweigen.
Im Verkehrsressort versucht man zu beschwichtigen. "Erfahrungsgemäß werden die Dinge nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht werden", so ein Sprecher. Neo-Bezirkschef Franz bleibt zumindest keine Alternative für die Nutzung des Areals schuldig. "Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für das Alte Landgut: Es könnte als Erweiterungsfläche für den FH Campus genutzt werden, ein Polizeikommissariat könnte dort entstehen oder eine Multifunktionshalle für den Bezirk", sagt er.