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Energie aus dem Mistkübel

Von Christine Zeiner

Wirtschaft
Im Welser Müllbunker: Der zerkleinerte Mist kommt in den Feuerraum. Foto: ave

Energie AG spricht von "nachhaltiger Lösung" für Wels. | Umweltschützer kritisieren Anlage. | Wels/Wien. Die Arme fahren aus wie bei einer riesigen Krake - und schnappen zu. Sie schnappen zerkleinerte Windeln, Joghurtbecher, Milchpackerln, Teebeutel, Keksschachteln, Plastiksackerln, Abwaschschwämme, T-Shirts, Zahnpastatuben, verdorbene Wurst, alte Kugelschreiber - und hin und wieder auch Fahrräder, Badewannen und Surfbretter. "Ein Händler hat die Bretter aus dem Sortiment genommen und weggeworfen", erläutert Bert Hauft, Projektleiter der Welser Abfallverwertung (WAV), die seit mehr als zehn Jahren zur Energie AG Oberösterreich gehört.


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Vergangene Woche ging die zweite Verbrennungslinie der WAV-Anlage in Betrieb. Damit können Linie eins und zwei gemeinsam 300.000 Tonnen Haus-, Sperr- und Gewerbemüll pro Jahr verbrennen. Der Abfall stammt - den Bezirk Linz ausgenommen - aus ganz Oberösterreich. Bis zu 175 Mio. Kilowattstunden Strom könnten erzeugt, 60.000 Haushalte damit versorgt werden.

Im kommenden Jahr soll die bei der Verbrennung entstandene Wärme als Fernwärme genutzt und ins Netz Wels eingespeist werden. Etwa 7 Mio. Euro kostet die Leitung, 2,5 Mio. Euro sollen Bund und Land bereitstellen.

Anlagen wollen Futter

Der Generaldirektor der Energie AG, Leo Windtner, spricht von einer "nachhaltigen Lösung". Denn die Rauchgase, in der die Wärmeenergie enthalten ist, werden in einer "hochmodernen Anlage" gereinigt.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 sieht das anders: "Durch Müllverbrennungsanlagen entsteht eine permanente Nachfrage nach Abfall. Denn die Anlagen wollen ja gefüttert werden", sagt Pressesprecher Andreas Baur. Laut Global 2000 sollte "Müll vermieden, nicht verwertet" werden. "Es gibt beispielsweise Millionen von Plastiksackerl, die nach einmaligem Gebrauch im Müll landen", sagt Baur.

Die Grünen, deren oberösterreichischer Umwelt-Landesrat Rudolf Anschober dem WAV-Projekt zugestimmt hat, weisen auf "sehr strenge Emissionsstandards" der Anlage und den Zusatznutzen von Fernwärme hin. Dennoch hätten erneuerbare Energieträger wie Biogas, Solarenergie und Windkraft Priorität. Bis 2030 könnte Österreich weitgehend durch erneuerbare Energie - Wasserkraft miteingeschlossen - versorgt sein, sagt Oliver Korschil, Umweltexperte im Grünen Parlamentsklub. "Allerdings müsste dafür der Energieverbrauch um 20 Prozent sinken und die Ökostromanlagen müssten ausgebaut werden."

Die Entsorgungsschiene der Energie AG, AVE, wittert jedenfalls weitere Geschäftschancen: Laut EU-Deponierichtlinie sollen bis 2016 nur noch 35 Prozent Müll deponiert werden. Die Umsetzung der Richtlinie werde also künftig auch ein wichtiges Thema in jenen Ländern sein, in denen die AVE aktiv ist, etwa Tschechien und Ungarn, heißt es. Im Geschäftsjahr 2005/06 wurden inklusive Österreich zehn Entsorgungsfirmen übernommen. 2010 soll die erste ausländische Verbrennungsanlage, AVA Pardubice in Tschechien, in Vollbetrieb gehen.