Übernahmefieber in Europas Energiewirtschaft. | Unter Europas Energieversorgern jagt derzeit eine Übernahme die andere. Die letzten beiden Beispiele das Angebot des größten deutschen Energieversorgers E.ON, die Nummer 1 in Spanien, Endesa, zu übernehmen, sowie die angekündigte Fusion des französischen Wasser- und Energiekonzernes Suez mit dem mehrheitlich im Staatsbesitz befindlichen Gasversorger Gaz de France sind dabei nur die Spitze des Eisberges.
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Im letzten Jahr gab es im Energiesektor weltweit Übernahmen im Wert von 236 Milliarden Dollar. Dieser Wert ist doppelt so hoch wie jener des Vorjahres. 78 Prozent davon betreffen Übernahmen und Fusionen in Europa. So hat zum Beispiel Suez, der zweitgrößte Wasser- und viertgrößte Stromversorger der Welt, im vergangenen Jahr jene 49,9 Prozent am größten belgischen Stromkonzern Electrabel gekauft, die noch für eine 100prozentige Übernahme gefehlt haben. Electricite de France (EdF), der größte Stromerzeuger der Welt, schluckte gemeinsam mit den Mailänder Stadtwerken Edison, den zweitgrößten Energieversorger Italiens.
Liberalisierung 2007
Der Grund für die hektische Fusionitis ist ein Datum: Spätestens bis Juli 2007 soll laut EU-Richtlinie der europäische Energiemarkt völlig liberalisiert sein. Bevor der totale Wettbewerb kommt, wollen die großen Versorgungsunternehmen Fakten schaffen oft mit Hilfe ihrer nationalen Regierungen. Die Strategie dabei ist immer dieselbe, egal, ob es sich um Italien, Frankreich oder Deutschland handelt. Die Stromkonzerne werden daheim vor Konkurrenz geschützt; mit dem Kapital, dass sie durch den mangelnden Wettbewerb zuhause verdienen können, gehen sie im Ausland auf Einkaufstour. Und weil durch die EU-Frist nun das Ende der Abschirmung vor ausländischer Konkurrenz droht, nützt man die noch verbleibende Zeit für Einkäufe, so lange es noch geht.
Ein wesentlicher Faktor auf dem Energiemarkt ist Größe. Denn Größe ist Marktmacht Macht über Produktionskapazitäten, Macht beim Einkauf von Energie und nicht zuletzt Macht über die Verteilung der Energie via Leitungen. In vielen Ländern können nicht einmal 10 Prozent des nationalen Aufkommens über Leitungen ins Ausland transportiert werden. Die Ware Strom kann also nicht einfach dorthin fließen, wo es die größte Nachfrage gibt.
Entsprechend unterschiedlich sind die Preise: sie schwanken in den diversen europäischen Ländern um bis zu 100 Prozent. Ein großer Konzern, der Leitungen und Produktionskapazitäten kontrolliert, kann sich billigere Konkurrenz leicht vom Leib halten.
Interessanterweise könnte die Konsolidierung der Großen in Europa für Österreichs Stromversorger auch Vorteile bringen. Denn in Südosteuropa stehen einige kleinere Privatisierungen an. Hier könnten die Österreicher punkten, während die Energieriesen mit sich selbst beschäftigt sind.