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Energieautarkie - eine Illusion?

Von Petra Tempfer

Analysen

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Sie kostet Kraft, Ressourcen und vor allem Geld: die Erzeugung von Energie, die Stadtteile, Städte und Bezirke daher zunehmend selbst in die Hand nehmen möchten. Die Stadt Güssing im Südburgenland versorgt sich seit Jahren über Sonne, Wind und Erdwärme selbst, und sogar Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2050 energieautark zu werden.

Als Illusion belächeln es die einen. Als Lebensform der Zukunft bezeichnen es die anderen. Denn glaubt man Städtebauern und Architekten, führt aufgrund des steigenden Ressourcenmangels kein Weg daran vorbei, selbst für die Energieerzeugung zu sorgen. Nicht zuletzt deshalb, weil das Thema Energie auch stets eine Kostenfrage ist.

Solaranlagen auf den Dächern, die über intelligente Lösungen komplette Siedlungen mit Energie beschicken, sind allerdings nur ein Teilaspekt eines holistischen Konzepts. Stellen doch Innovationen wie diese Städteentwickler vor neue Herausforderungen. Der öffentliche Verkehr und die Elektromobilität müssten ebenfalls ausgebaut und Grünräume ausgeweitet werden, damit sich die Bewohner mit der umweltbewussten Lebensform identifizieren.

Denn ohne Toleranz, Zusammenhalt und Kommunikation werde Energieautarkie nicht funktionieren, befürchten Kritiker. Startet doch schon bei der Beschickung einzelner Wohneinheiten eines Selbstversorger-Stadtteils mit Solarenergie die Besitz-Diskussion: Ein Wohnungseigentümer eines Hauses etwa, das über Solarpaneele ein benachbartes Café mitversorgt, könnte diesem die Energie in Rechnung stellen wollen - weil er selbst nie ins Café geht und seine Energie nicht "verschenken" will. Andere wiederum können sich vielleicht nicht von ihrem benzinschluckenden Altauto trennen und auf Elektromobilität umsteigen. Wo doch die Herstellung der Akkus ohnehin energieintensiv sein soll, und überdies auch Niedrigenergiehäusern nachgesagt wird, aufgrund der notwendigen Klimatisierung viel Energie zu verschlucken.

Der Kritikpunkte gäbe es also viele, der Sozialmediziner Michael Kunze fasst es in Worte: Es gibt den Wohnbedarf (ein Dach über dem Kopf) und das Wohnbedürfnis, das stark vom sozialen Status, vom Geld und vor allem von aktuellen Trends abhängig ist. Niedrigenergiehäuser und Energieunabhängigkeit seien so ein - durchaus positiver - Trend. Eine Modeerscheinung, die vor allem gebildete, junge Menschen anspreche - und in wenigen Jahren vorbei sein werde.

Siehe auch:
Artikel "Energie-Selbstversorger im Trend"