Zum Hauptinhalt springen

Energiegewinnung der Zukunft

Von Friedrich Katscher

Wissen

An der Johannes-Kepler-Universität Linz, einem Weltzentrum für die Erforschung und Entwicklung der Kunststoffsolarzelle, ist es gelungen, eine Zelle herzustellen, die Licht mit einem Wirkungsgrad von mehr als 2,5 Prozent in elektrischen Strom umwandelt - das ist fast eine Verdreifachung der bisherigen Leistung. Damit nähert man sich Werten, die für die praktische Anwendung solcher Solarzellen für die preiswerte Gewinnung von Sonnenenergie zur Stromerzeugung notwendig sind.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Grundlage für die Solarzellen, an denen im Institut für physikalische Chemie in Linz gearbeitet wird, waren drei Entdeckungen im letzten Vierteljahrhundert: erstens die leitfähigen Polymere, zweitens die Fullerene und drittens, dass eine durch Licht ausgelöste elektrische Ladung in diesen Polymeren auf die Fullerene übertragen werden kann.

Die Kunststoffe (Plastik), die wir im Alltag verwenden, werden von den Chemikern als Polymere bezeichnet. Sie sind Aneinanderlagerungen von sehr vielen gleichartigen oder unterschiedlichen meist kleinen Einheiten, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff und anderen Grundstoffen bestehen. Der chemische Name der Polymere beginnt meist mit Poly- gefolgt von dem Namen des Grundbausteins, aus dem sie zusammengesetzt sind, zum Beispiel Polystyrol oder Polyvinylchlorid, abgekürzt PVC.

Stromleitendes Polymer als zufällige Entdeckung

Alle Kunststoffe, mit denen wir normalerweise zu tun haben, sind Isolatoren, das heißt, sie leiten den elektrischen Strom nicht. Ja sie werden sogar in der Elektrotechnik vielfach dazu verwendet, um uns vor einem Stromschlag zu schützen. Durch Zufall wurde 1977 das erste Polymer entdeckt, das elektrischen Strom leitet. In der Zwischenzeit hat man solche "organische" (Kohlenstoff enthaltende) Verbindungen weiterentwickelt, und jetzt steht ein breites Spektrum aus funktionellen Kunststoffen zur Verfügung, die, je nach "Dotierung" (dem kontrollierten Einbringen bestimmter Fremdatome) entweder leitende oder halbleitende Eigenschaften besitzen.

"Halbleiter", deren elektrische Leitfähigkeit zwischen der von Metallen und von Isolatoren liegt, sind auf Grund ihres breiten Einsatzbereiches für Leuchtdioden, Laser, Transistoren und besonders für Solarzellen interessant. In Linz arbeitet man hauptsächlich mit einem halbleitenden Polymer namens Polyphenylenvinylen (PPV).

Der reine Kohlenstoff (chemisches Zeichen: C) tritt in der Natur in zwei Erscheinungsformen auf: als sehr harter kristalliner Diamant und als weicher und blätteriger Graphit, der aus übereinander gleitenden ebenen Schichten von nebeneinander liegenden C-Atomen besteht. Fünf Forscher aus den USA berichteten am 14. November 1985 in "Nature", dass sie Experimente machten, um die Mechanismen zu erforschen, durch die langkettige C-Moleküle im interstellaren (zwischen den Sternen befindlichen) Raum und in den die Sterne umgebenden Schalen gebildet werden.

Mit winzigem "Fußball" zum Nobelpreis für Chemie

Zu diesem Zweck verdampften sie Graphit und erzeugten dabei ein bemerkenswert stabiles kugelförmiges Gebilde aus 60 Kohlenstoffatomen. Es besteht aus 32 Flächen - 12 Fünfecken und 20 Sechsecken, in deren Ecken die Atome sitzen - und sieht daher genauso wie ein Fußball aus, bei dem die Fünfecke schwarz und die Sechsecke weiß sind.

Die Entdecker dieser neuen Erscheinungsform des Kohlenstoffs benannten sie nach dem US-Wissenschaftler, Philosophen, Erfinder und Architekten Richard Buckminster ("Bucky") Fuller (1895 - 1983), dem Schöpfer eines halbkugelförmigen Leichtbaus aus dreieckigen Elementen namens geodäsischer Dom und dem Mann, der den Ausdruck "Raumschiff Erde" prägte, Buckminsterfulleren, was aber zu Bucky-Ball oder Fulleren abgekürzt wird. Die Entdeckung dieses "C60" war so bedeutend, dass drei der beteiligten Forscher, der Engländer Harold Kroto und die Amerikaner Robert Curl und Richard Smalley, 1996 den Nobelpreis für Chemie erhielten.

Zuerst konnten nur winzige Mengen von Fulleren erzeugt werden, doch 1990 wurde eine Methode entdeckt um große Mengen herzustellen. Und es zeigte sich, dass es sich keineswegs nur um eine Kuriosität handelt, sondern dass es vielfältige Anwendungen für die Bucky-Bälle gibt, die einen Durchmesser von 0,7 Millionstel mm haben.

Das Forschungsgebiet, das sich mit der Umwandlung von (Sonnen-)Licht in elektrischen Strom beschäftigt, heißt Photovoltaik (photos, griechisch, des Lichtes; Alessandro Volta, 1745-1827, italienischer Physiker, baute die erste elektrische Batterie). Der Hauptbestandteil aller Solarzellen ist ein dotierter Halbleiter, der Photonen (Lichtteilchen) aufnehmen und geladene Teilchen (Elektronen) erzeugen kann. Fast alle bisher verwendeten Solarzellen benutzen als Halbleiter Silizium.

Über Santa Barbara . . .

1992 entdeckten vier Forscher vom Institut für Polymere und organische Festkörper der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, dass Licht von einem dotierten halbleitenden Polymer aufgenommen wird und einen "angeregten Zustand" hervorruft, durch den eine elektrische Ladung - ein Elektron - ultraschnell, innerhalb von weniger als einer Billionstelsekunde, auf ein benachbartes Fulleren übertragen wird. Diese Erkenntnis wurde als so bedeutsam angesehen, dass sie von der führenden US-Wissenschaftswochenschrift "Science", die äußerst wählerisch aus einer ungeheuren Anzahl eingereichter Arbeiten nur die allerbesten auswählt, abgedruckt wurde. In der Veröffentlichung wurde auch berichtet, dass dünne Filme aus einem Komposit (Verbundmaterial) von PPV-C60 auf einer Quarzunterlage hergestellt wurden.

. . . an die Kepler-Universität

Einer der vier Forscher war der Türke Niyazi Serdar Sariçiftçi, der als Bub den naturwissenschaftlichen Zweig des österreichischen St. Georgs-Gymnasiums in Istanbul besucht und 1989 an der Universität Wien als Physiker in dem Fach "organische Halbleiter" promoviert hatte. Von 1992 an arbeitete er in Santa Barbara, doch im April 1996 folgte der Wissenschaftler mit knapp 35 Jahren als jüngster Lehrstuhlinhaber Österreichs einem Ruf an die Johannes Kepler Universität in Linz und seither ist er Vorstand des dortigen Instituts für physikalische Chemie.

Aus Amerika hat Sariçiftçi die Erforschung von Solarzellen aus PPV und Fulleren mitgebracht und in seinem Linzer Institut für Organische Solarzellen (LIOS) verbessert er mit seinem Mitarbeiter Dr. Christoph C. Brabec und seinem Team die Ausbeute an aus Lichtenergie umgewandelter elektrischer Energie, indem er die Zusammensetzung des Komposits immer mehr optimiert. Die Vorzüge einer Plastiksolarzelle gegenüber den herkömmlichen Siliziumsolarzellen liegen auf der Hand, da sie die elektronischen und optischen Eigenschaften von Halbleitern mit den attraktiven mechanischen und verarbeitungstechnischen Eigenschaften von Kunststoffen kombinieren: Geringe Herstellungskosten; hohe Stromausbeute durch kostengünstige Großflächenproduktion; Flexibilität und einfache Handhabung; hohe Umweltverträglichkeit (Kunststoffe auf Kohlenstoffbasis).

In der amerikanischen Wochenschrift "Applied Physics Letters" vom 5. Februar 2001 erschien ein Artikel von Sean E. Shaheen (einem aus dem Libanon abstammenden Amerikaner, der in Linz tätig ist), Christoph J. Brabec und N. Serdar Sariçiftçi sowie Franz Padinger und Thomas Fromherz von Quantum Solar Energy Linz und dem Holländer Jan C. Hummelen von der Universität von Groningen mit dem Titel "Organische Plastiksolarzellen mit 2,5% Wirkungsgrad". Darin wird mitgeteilt, dass beim Gießen der Materialien der photoaktiven Schicht der PPV-Fulleren-Solarzelle durch die Wahl des geeigneten Gusslösungsmittels, nämlich Chlorbenzol, eine Verdreifachung des Wirkungsgrades erzielt wurde.

Die Arbeit schließt: "Zusammenfassend unterstreichen wir, dass die hier präsentierte hoch leistungsfähige photovoltaische Anlage ein synthetisches, organisches lichtsammelndes System ist, das aufgenommene Photonen mit einem Wirkungsgrad in Elektronen umwandelt, der bei der Spitzenwellenlänge an die 100 Prozent heranreicht. Weitere Arbeit ist nötig... damit ein Energieumwandlungswirkungsgrad erreicht wird, der sich jenem der anorganischen Solarzellen annähert. Diese Resultate zeigen jedoch, dass organische photovoltaische Anlagen eine praktikable Technik für die zukünftige Energiegewinnung sein können."

Aussicht auf weitere Wirkungsgrad-Steigerung

Das Linzer Team hofft, den Wirkungsgrad weiter steigern, den Prototyp einer gegen Feuchtigkeit, Oxidation und mechanische Zerstörung geschützten preiswerten Plastiksolarzelle mit langer Lebensdauer entwickeln und dadurch das für die Menschheit äußerst erstrebenswerte Ziel "Elektrizität von der Sonne" verwirklichen zu können.