Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die heimische E-Wirtschaft.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der heimischen E-Wirtschaft stehen, hervorgerufen durch die Energiewende und Digitalisierung des Strommarktes, massive Veränderungen ins Haus. Bis 2025 fallen gut ein Viertel der bestehenden Arbeitsplätze weg, zahlreiche neue kommen allerdings hinzu. Die Digitalisierung wird die heimische E-Wirtschaft in den nächsten Jahren also massiv verändern. Uneins sind sich die Experten nur darin, wie schnell diese Veränderungen kommen werden und wie tiefgreifend die Auswirkungen sind.
In Österreich könnten langfristig sogar bis zu 50 Prozent der heutigen Arbeitsplätze gefährdet sein. Neue Wertschöpfungspotenziale entstehen aber durch neue Geschäftsmodelle, die erst durch die Digitalisierung realisierbar sind. Zudem werden sich Teile von Wertschöpfungsketten, die aufgrund von Arbeitskostenvorteilen zum Beispiel nach Asien abgewandert sind, teilweise wieder woanders hin verlagern, wenn diese Tätigkeiten automatisierbar sind. Hochentwickelte Volkswirtschaften wie Österreich erhalten so die Chance, durch neue Geschäftsmodelle verlorene Wertschöpfung wieder zurückzugewinnen.
Zwischen Disruption und Transformation
So folgt auf den ersten Schub durch die Entwicklung der erneuerbaren Stromerzeugung nun der zweite der Digitalisierung und Dezentralisierung. Zudem kommen die Wind- und Photovoltaik-Stromerzeugung in den Kosten immer näher an Marktpreisniveau heran, was bedeutet, dass nun das Wachstum der Erneuerbaren immer stärker durch Marktkräfte und weniger durch regulatorische Rahmensetzungen getrieben wird.
War Österreich vom ersten Technologieschub aufgrund des hohen Anteils erneuerbarer Stromerzeugung durch die heimische Wasserkraft weniger betroffen, wird die Digitalisierung auch die österreichische Energiewirtschaft voll treffen. In Österreich war der Energieverbrauch in den vergangenen zehn Jahren in etwa konstant, abgesehen von jährlichen Schwankungen. Der Stromverbrauch ist in diesem Zeitraum etwa halb so stark gewachsen wie die Wirtschaftsleistung. Österreich hat traditionell einen hohen Anteil erneuerbare Stromerzeugung durch die Wasserkraft. Der Ausbau von Wind und Photovoltaik nimmt in Österreich zu und hatte im Vorjahr einen Anteil von 10 Prozent an der Stromproduktion. Der Anteil erneuerbarer Energieerzeugung am Gesamtenergieverbrauch in Österreich beträgt 33 Prozent. Die Wertschöpfung in der österreichischen Energiewirtschaft, also Strom, Gas- und Wärmeversorgung sowie Energiedienstleistungen, betrug im Jahr 2015 gut 7,1 Milliarden Euro. Das beinhaltete neben der Energiebereitstellung auch die durch die Investitionen generierte Wertschöpfung.
Dieser Wert ist seit 2005 leicht gesunken, damals waren es 7,2 Milliarden Euro, was vor allem durch den gesunkenen Strompreis und die reduzierten Netztarife erklärbar ist. Gleichzeitig ist durch die Investitionen in Windkraft und Photovoltaik neue Wertschöpfung entstanden. Die Anzahl der Beschäftigten im Sektor ist von 35.000 auf fast 41.000 angestiegen. Investitionen in erneuerbare Energieträger und neue Anbieter im Strom- und Gasmarkt haben die Beschäftigungsrückgänge durch Effizienzsteigerung überkompensiert.
Zusätzliche Wertschöpfung und Beschäftigung entsteht
Für die nächsten zehn Jahre ist ein Anstieg der Wertschöpfung auf 8,8 Milliarden Euro bis 2025 zu erwarten. Dieser Anstieg ist vor allem durch neue digitale Geschäftsmodelle und zusätzliche Dienstleistungen rund um die Energieversorgung getrieben. Ein weiterer Ausbau von Windkraft und Photovoltaik führt zudem zu mehr Wertschöpfung. Beispiele für diese neuen, teils digitalen Energielösungen sind Smart-Home-Angebote (Sicherheit, Energieverbrauchsteuerung, Assistenzsysteme, etc.), Energieeffizienz-Lösungen, Energiedienstleistung (zum Beispiel Contracting) und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.
Um diesen Kuchen zusätzlicher Wertschöpfung stehen traditionellen Energieversorger vor allem mit Anlagen- und Geräteherstellern, Dienstleistern, Start-ups und Internetfirmen mit digitalen Geschäftsmodellen im Wettbewerb. Die rasche technologische Entwicklung sowie die hohen zu erwartenden Investitionen ziehen neue Anbieter an. Für den Zeitraum bis 2025 ist mit Investitionen von gut 20 Milliarden Euro in die österreichische Energiewirtschaft zu rechnen. Damit sind enorme Chancen, aber auch Risiken für die traditionellen Energieversorgungsunternehmen verbunden.
Sicher ist, dass die Energieversorger die Digitalisierung vor allem auch für die weitere Effizienzsteigerung nutzen müssen, um den Wertschöpfungsverlust im traditionellen Geschäft auszugleichen. Es ist mit einen Beschäftigungsverlust von zirka 9000 Stellen zu rechnen. Andererseits werden durch die wachsende Wertschöpfung in neuen Bereichen etwa 8000 Stellen entstehen. Damit bleibt die Gesamtbeschäftigung in der Energiewirtschaft mit rund 40.000 Stellen in etwa konstant.
Die Energiewirtschaft ist ein anschauliches Beispiel, wie die Digitalisierung eine positive Wirkung auf den Wirtschaftsstandort haben kann: steigende Wertschöpfung, die dazu führt, dass die Beschäftigung in Summe erhalten bleibt, allerdings mit einer deutlich veränderten Struktur. Bestehende Arbeitsplätze werden durch neue Jobs mit anderer Qualifikationsstruktur ersetzt. Das unterstreicht die Notwendigkeit, sowohl das staatliche als auch das betriebliche Ausbildungssystem rasch diesen Erfordernissen anzupassen. Für die Energieversorger bedeutet das nicht nur, die Digitalisierung für einen Effizienzsprung im Kerngeschäft zu nutzen, sondern vor allem auch neue, bisher kaum notwendige Fähigkeiten aufzubauen. Innovationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Dienstleistungsfähigkeit werden essenziell, um die Chancen zu nutzen und nicht zu den Verlierern der Veränderung zu gehören.