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"Energiemärkte nicht abschotten"

Von Von Harald Waiglein

Wirtschaft

Deutscher Ex- Kanzler bei Energiekonferenz in Fuschl. | Europa "nur mit Russland" Weltmacht.


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Fuschl. Gerhard Schröder hat ein sehr inniges Verhältnis zu Russland. Nachdem seine Amtszeit als deutscher Bundeskanzler 2005 abgelaufen war, wechselte er direkt in den Aufsichtsrat jenes Konsortiums, das die umstrittene Ostsee-Pipeline (auch North-Stream-Pipeline genannt) bauen soll.

Die Pipeline soll russisches Erdgas unter der Ostsee direkt nach Deutschland bringen, ohne dass das Gas durch osteuropäische Länder fließt. Einige Länder, etwa Polen, kritisieren deshalb das Projekt mit dem Argument, dass es Osteuropa gegenüber Russland leichter erpressbar macht.

Auch alte Wege des Transports sind wichtig

Bei der Energiekonferenz "Energy 2020" in Fuschl machte Schröder klar, dass er von dieser Argumentationslinie nichts hält. Die Ostsee-Pipeline könne maximal 55 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren. Europa benötigt bis 2015 aber etwa 200 Mrd. zusätzliche Kubikmeter.

"Wir kriegen dieses Gas ja gar nicht nach Europa, ohne auch in die alten Pipeline-Wege durch Osteuropa zu investieren", so Schröder. Das ganze Gerede über mehr Erpressbarkeit Polens oder der Ukraine sei "offenbarer Unsinn".

Polens Position "haarsträubend"

Polen agiere überhaupt in der Diskussion um die

Ostsee-Pipeline "haarsträubend". Eine "nationalistische, deutschfeindliche Politik" sei mit den Aufgaben eines EU-Mitglieds nicht zu vereinbaren, meint der North Stream-Aufsichtsratsvorsitzende.

Schröder verweist auf das Shtokman-Gasfeld im nördlichen Eismeer - ein Feld, dass möglicherweise bis zu 3,7 Billionen Kubikmeter Gas enthält und von Russland jetzt erschlossen werden soll. Ohne Ostsee-Pipeline werde dieses Gas verflüssigt und mit Tankschiffen in die USA exportiert werden, befürchtet Schröder. Die Pipeline sei daher "das zentrale Element der Versorgungssicherheit" in Europa.

Auch die Nabucco-Pipeline der OMV, die Gas aus dem Nahen Osten und der kaspischen Region bringen soll, sei ein wichtiges Projekt, räumt Schröder ein. Er verstehe aber nicht, warum man den Leuten verkaufen wolle, dass der Iran, Nigeria oder Algerien sicherere Energie-Lieferländer sein sollen als Russland. Schröders Schlussfolgerung: "Europa kann seine Rolle als politische und wirtschaftliche Weltmacht nur in Partnerschaft mit Russland behaupten." In diesem Zusammenhang dürfe die EU auch ihre Energie-Märkte nicht gegen ein Engagement aus Drittländern abschotten.

Die EU-Kommission überlegt ja derzeit Beschränkungen für Investoren, die im Staatseinfluss stehen - wie es etwa bei der russischen Gazprom, dem größten Erdgas-Konzern der Welt, der Fall ist. Er stehe dieser Ausweitung des "Protektionismus" skeptisch gegenüber, so Schröder. Das sei eine "noch nicht ausgereifte Diskussion". Er hoffe, dass es - abgesehen vom Rüstungsbereich - keine nennenswerten Beschränkungen für außereuropäische Investoren geben werde.