Die Bundesregierung möchte die Industrie entlasten. Nur zu welchen Kosten?
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Österreichs Industrie-Unternehmen kamen mit viel Schwung aus den Lockdowns der Pandemie: Volle Auftragsbücher, steigende Umsätze und eine hohe Auslastung. Doch Vollgas heißt auch mehr Energieverbrauch. Zudem lieferte Russland in den Wochen vor dem Krieg weniger Gas nach Europa, das vielerorts den Ausstieg aus Kohle- und Atomkraft mit Gaskraftwerken auffing. Wenn Aufschwung auf Verknappung trifft, wird es teuer. Die Preise von Energie und Strom schnellten in die Höhe.
Die Bundesregierung versucht nun dagegenzuhalten. Am Sonntag präsentierten Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) ein 2 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket mit dem Ziel, die hohen Energiepreise für Unternehmen und Bevölkerung abzufedern.
900 Millionen Euro sollen in die Senkung der Energieabgaben für Strom und Gas fließen, mit 120 Millionen Euro sollen Betriebe unterstützt werden, damit sie auf alternative Antriebsformen umsteigen.
Die Senkung der Energieabgaben sei eine Stütze für die Industrie, sagt Klaus Prettner. Der Volkswirt von der Wirtschaftsuniversität in Wien gibt aber zu bedenken, dass damit die Nachfrage nach Energie hochgehalten werde. Das würde durch den hohen Gas-Anteil aus Russland dabei helfen, den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Darüber hinaus sei es auch nicht umweltfreundlich.
Noch höhere Steuern wären strategisch zielführender
Die Unterstützung von alternativen Antriebsformen sei strategisch richtig, weil ein Umstieg langfristig die Nachfrage nach Öl und Gas reduziert und damit mehr Geld in Österreich bliebe und weniger nach Russland fließe. Gleichzeitig werde diese Maßnahme aber erst längerfristig wirksam. Schließlich müsse die Infrastruktur aus nicht-fossilen Energiequellen erst geschaffen werden.
Strategisch zielführender und auch sozialpolitisch treffsicher wäre es für Prettner, die Steuern auf fossile Energie sogar zu erhöhen und mit den Einnahmen daraus die Einkommen derjenigen Geringverdiener zu stützen, die unter den hohen Energiekosten leiden. Dies würde die Nachfrage nach Energie tendenziell senken und das Geld würde nicht nach Russland fließen, sondern könnte etwa bei den sozial bedürftigen in Österreich bleiben.
Die eingenommenen Steuern könnten auch dafür aufgewendet werden, in die Infrastruktur für nicht-fossile Antriebe zu investieren. Klar wäre dies für einige Bevölkerungsgruppen und die Industrie schmerzhaft, aber sicher einfacher zu verkraften als ein generelles Embargo von russischem Öl und Gas, sagt er.
Gefahr der Deindustrialisierung Österreichs
Rund ein Viertel der österreichischen Industrieproduktion und der Exporte werden laut Industriellenvereinigung in Oberösterreich erwirtschaftet. Damit ist es das führende Export-, Industrie- und Technologiebundesland. Der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich, Joachim Haindl-Grutsch, fürchtet um die Zukunft des Standorts. "Russisches Erdgas ist nicht kurzfristig ersetzbar", sagt er. "Stattdessen bräuchten wir 70.000 große Windturbinen oder 1.500 große Wasserkraftwerke. Die Transformation unseres Energiesystems ist möglich, aber nicht in kürzester Zeit."
Haindl-Grutsch schlägt vor, im ersten Schritt um die Hälfte weniger Gas aus Russland zu beziehen. Dieser Schritt wäre schon teuer, und der Anteil würde noch immer bei 40 Prozent liegen. Das Energiepaket der Regierung sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Unternehmen hätten normalerweise Energiekosten von 6 Prozent, derzeit seien es zirka 15 Prozent. "Das ist zu hoch und führt auf Dauer zu einer De-Industrialisierung von Österreich", warnt Haindl-Grutsch. "Wir brauchen eine sichere und leistbare Energieversorgung, sonst ist der hochentwickelte Standort Österreich tot."
Zudem werde Österreich seine Energie niemals alleine autark beziehen können. Die internationale Vernetzung mache hingegen Sinn. "An den Küsten ist Windkraft sinnvoll, in südlichen Ländern Sonnenenergie und in den Alpen Wasserkraft. Wir müssen zusammenarbeiten."