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Energiepolitik auf Österreichisch

Von Erhard Fürst

Gastkommentare

Anstatt über Atomenergie zu streiten, sollten wir lieber alles daran setzen, eine gemeinsame europäische Energiepolitik zu entwickeln - und Strom zu sparen.


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Der dramatische Kernkraftwerksunfall in Fuku shima hat in Österreich die zu erwartenden Reaktionen der fortgesetzten Realitätsverweigerung ausgelöst. Schulterklopfen, dass wir Zwentendorf abgelehnt haben (und nicht Bruno Kreisky eins auswischen wollten). Druck "auf die Politik", endlich etwas gegen die Erzeugung von Kernkraft in Europa zu tun (statt selbst Strom zu sparen). Aus voller Brust der Ruf nach raschestem Umstieg auf erneuerbare Energie (schon vor Fukushima durch den Lebensminister als kuriose Forderung nach Energieautarkie artikuliert).

Wie sieht die Realität aus? Es gibt keine risikolose Energieerzeugungstechnologie im Großmaßstab. Genau die benötigen wir aber, um die über drei Milliarden Menschen mit Strom zu versorgen, die in Städten leben. Die Zahl der Strahlentoten aus Atomkraftwerksunfällen inklusive Langzeitfolgen ist verschwindend gering im Vergleich zu den Opfern von CO2-Emissionen aus kalorischen Kraftwerken, Kohlebergbauunfällen, Dammbrüchen, etc. - immerhin hat der Tsunami in Japan unmittelbar rund 20.000 Todesopfer gefordert.

Selbst wenn Atomstrom einen Irrweg darstellt, ist ohne Gefährdung der Versorgungssicherheit längerfristig keine Reduktion des Anteils der Nuklearenergie angesichts weiterhin weltweit steigenden Stromverbrauchs und beschränkten Einsatzpotentials erneuerbarer Energie aus ökonomischen, direktdemokratischen, technischen und ethischen (Energiepflanzen statt Nahrungsmittel) Gründen möglich. Und Stromausfälle bedeuten nicht nur kein Licht, sondern auch keine Elektrogeräte, Aufzüge, elektronisch gesteuerten Heizungen, Produktionsprozesse, Verkehrsmittel, Telekommunikation . . .

Eigentlich sagt es einem der Menschenverstand. Die energiepolitische Einstellung der Österreicher in Form eines Verhinderungspolygons ist irrational. Kontinuierlich mehr Strom verbrauchen, aber kein Atomstrom in Europa, in Österreich kein Import von Atomstrom, kein Strom aus neuen Wasserkraftwerken, möglichst keine weiteren kalorischen Kraftwerke, keine neuen Starkstromleitungen, keine Öl- und Gasimporte aus Ländern, in denen Menschenrechte verletzt werden, möglichst stabile Energiepreise . . .

Beenden wir diese Vergeudung der hierzulande ohnehin knappen politischen Energie und setzen wir sie lieber für die baldige Realisierung der gemeinsamen europäischen Energiepolitik ein, für einen Quantensprung in der Energieforschung, für den raschen Ausbau der Leitungs- und Steuerungsinfrastruktur sowie neuer Kraftwerke, für die Diversifizierung der geographischen Bezugsquellen und Transportwege von Energie und - last but not least - für die Verminderung des Energieverbrauchs.

Erhard Fürst war viele Jahre Leiter der Abteilung Industriepolitik/Wirtschaft in der Industriellenvereinigung.