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Energiewende oder Bauchfleck

Von Helmut Dité

Analysen

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Peter Layr formuliert ebenso dezent-elegant und ruhig, wie er auftritt: "Wir sehen die Gefahr, dass die in der Energie-Strategie verankerten Energieziele Österreichs nicht erreicht werden", sagt der EVN-Chef und derzeitige Präsident des E-Wirtschafts-Branchenverbandes "Österreichs Energie". Bis 2015 sollte ein Wasserkraftausbau um 3,5 Milliarden Kilowattstunden geschafft sein. 16 Projekte sind in Bau, aber 43 stecken in Verfahren fest. "So wie es aussieht, wird 2015 nicht einmal ein Drittel erreicht sein. Der Rest verschiebt sich auf 2020 oder noch später, weil die Genehmigungsverfahren so lange dauern."

"Zeit zum Handeln" - das Motto des zweitägigen Branchen-Kongresses der heimischen E-Wirtschaft in Innsbruck diese Woche war natürlich auch als Aufforderung an den Gesetzgeber zu lesen, für mehr Rechtssicherheit, Planungssicherheit und Sicherheit bezüglich der Finanzierungsbedingungen zu sorgen.

Aber die "überaus langwierigen Verfahren" sind gar nicht die größte Gefahr für die E-Wirtschaft. Warum die Branche beim Umbau auf erneuerbare Energien "dringend mehr Unterstützung von Politik und Verwaltung" braucht, liegt daran, dass das aus der Phase der Liberalisierung stammende derzeitige "Marktdesign den inzwischen eingetretenen Impuls zum Ausbau der erneuerbaren Energien nicht ausreichend berücksichtigt" und, so Layr, "zu starken Instabilitäten bei Strompreisen und -mengen an den Energiebörsen in Österreich und Europa führt".

In Prosa: Die deutsche Energiewende droht vom eleganten Ausstieg aus der Kernenergie zum doppelten Salto rückwärts mit Bauchfleck zu werden. Denn in Deutschland läuft die Ökostromförderung völlig aus dem Ruder: Weil Solar- und Windstromerzeuger viel mehr produzieren als erwartet, werden die privaten Stromkunden ab 2013 um rund 50 Prozent mehr Ökozuschlag zahlen müssen, nämlich 185 statt 125 Euro pro Jahr und Durchschnittshaushalt.

Dabei war schon heuer die Rechnung nach drei Quartalen absurd: 16 Milliarden Euro - davon 10 Milliarden von Konsumenten - wurden den deutschen Wind- und Solarstromproduzenten überwiesen. Deren Produktion wird zu weit überhöhten, auf 20 Jahre fixierten Preisen abgenommen. Und er brachte an den Börsen nur 2,4 Milliarden Erlöse, weil er in verbrauchsarmen Zeiten verschleudert werden muss, sogar "negative Strompreise" wurden schon registriert. Weitere Grausamkeiten des Planwirtschaftseingriffs: Gaskraftwerke rechnen sich nicht mehr. Oder: Ausgerechnet aus Braunkohle kommt nach dem Abschalten der ersten Atommeiler der meiste deutsche Strom.

Mit Erleichterung wurde deshalb in Innsbruck registriert, dass der deutsche Umweltminister Peter Altmaier einräumte, dass "etwas schiefgelaufen ist", und auf die Notbremse steigt: Bis 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energie in Deutschland 40 Prozent nicht übersteigen dürfen.

Österreich, Deutschland und die Schweiz wollen den Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken zum Ausgleich für die schwankende Produktion aus den erneuerbaren Energien jedenfalls nun gemeinsam vorantreiben: Aktuell liegen Projekte vor, die in Summe etwa eine Verdoppelung der derzeitigen Kapazität bedeuten, mehr als 20 Milliarden Euro sollen investiert werden.