Zum Hauptinhalt springen

Engel fallen nicht vom Himmel

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Risikokapital von Privaten fließt nur sehr spärlich. | Nur wenige Firmengründer haben Chancen. | Financiers auf Zeit erwarten raschen Profit.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der 49-jährige Wiener Manfred Burger hat einen Traum: Er möchte eine konsumentenorientierte Online-Plattform für Kreative aller Sparten starten, die sie mit Käufern, Handwerkern und Produzenten vernetzt. Der Internet-Shop soll hunderttausenden Small Brands - nicht nur aus Österreich - die Chance bieten, untereinander zu kommunizieren und zugleich sich und ihre Produkte interessierten Konsumenten zu präsentieren. Burger: "Da brauch es keinen Inselansatz, sondern einen ganzheitlichen Zugang."

Sein Projekt "worxzone.com" ist penibel vorbereitet und wäre an sich startklar: Der Businessplan steht, das Marketingkonzept ist fertig, geeignete Mitarbeiter wären vorhanden - nur das nötige Kapital, für den Anfang etwa 200.000 Euro, konnte noch nicht aufgetrieben werden. Burger ist beileibe kein Einzelfall, denn für potenzielle Firmengründer in ähnlicher Situation ist ein mühsamer Canossagang unumgänglich. Nachdem Banken bei Start-ups in der Regel rasch abwinken, weil sie sich das Risiko eines Kreditausfalls ersparen möchten, bleiben bloß der heimische Förderdschungel und die sogenannten Business Angels über.

Darunter versteht man ehemalige Topmanager, die ein neues Betätigungsfeld suchen, Ex-Unternehmer, die ihre Firma verkauft haben und etwas Neues starten wollen, oder kapitalkräftige Anleger, die einen Teil ihres Vermögens profitabel - wenn auch zumeist riskant - arbeiten lassen wollen. Sie alle sind prädestiniert, in die Bresche zu springen und spannende Geschäftsideen - zumeist gegen eine Beteiligung - mit Kapital sowie ihrer reichen Erfahrung realisieren zu helfen. Also jene zu unterstützen, die für eine klassische Risikofinanzierung noch zu klein sind.

Im Gegensatz etwa zu den USA, wo diese Finanzierungsform schon in den Achtzigerjahren auftauchte, längst floriert und beachtliche Erfolge zeitigt, ist Österreich diesbezüglich - verglichen etwa mit England, Frankreich oder Deutschland - ein absoluter Nachzügler. Es stehen zwar weit über 100 Business Angels parat, doch die Engel fallen nicht auf Knopfdruck vom Himmel. Speziell seit der Finanzkrise scheint ihre Stimmung ziemlich gedrückt zu sein, sodass sie sich nunmehr deutlich seltener in Szene setzen als vor dem Crash. Die ängstlich gewordenen Risikokapitalgeber pflegen jedes Engagement endlos zu überlegen und drehen jeden zu investierenden Euro zig Mal um. Rudi Kobza, einer der bisher aktivsten Business Angels, sagt: "In Österreich steckt dieser Markt noch in den Kinderschuhen."

Ideen fürs Internet

sind am ehesten gefragt

Ein paar Angels sind für zahllose Gründer dennoch die große Hoffnung - typisches Beispiel ist Manfred Reichl. Der ehemalige Chef der Beratungskonzerns Roland Berger in Wien hilft seit einigen Jahren jungen Unternehmen auf die Sprünge. 2007 stieg er bei der Apeiron Biologics AG ein, bei der etwa auch Genetik-Professor Josef Penninger, Ex-Minister Martin Bartenstein und VP-Abgeordneter Erwin Rasinger mit an Bord sind. Mittlerweile ist der 58-jährige Reichl, 2009 zum "Business Angel of the Year" gekürt, an mehreren Jungfirmen beteiligt, die so fantasievolle Namen tragen wie "Yasssu" oder "isiQiri interface technologies GmbH". Seine Anteile variieren zwischen ein paar und 26 Prozent. Ein besonders spannendes Projekt startete er im Vorjahr: An der Biotechfirma "Akron Molecules GmbH" hält er samt seiner Frau Maria und der "Mare Privatstiftung" die Sperrminorität - Penninger und Bartenstein sind auch hier die Kompagnons.

Dem Boss der Werbeagentur Lowe GGK, Rudi Kobza, sind zukunftsträchtige Firmenkonzepte ebenfalls ein Anliegen. Mit seiner Gesellschaft "First Love Capital" konzentriert er sich auf frühzeitige Finanzierungen. Die Investments kommen also jungen Unternehmen vor der Wachstums-/Expansionsphase zugute, und nur selten geht es bei ihm um Beteiligungen an bestehenden Unternehmen. Die Bereiche Internet und Medien haben Vorrang: "First Love" ist beispielsweise an der Wiener "iJoule GmbH" beteiligt, die sich um gesünderen Lebensstil und bewusstere Ernährung kümmert, am Hamburger Unternehmen "Carsablanca", einer Plattform für Oldtimer-Fans, der in München sesshaften Aktien-Community "Sharewise" oder an "First1.de", einem Anbieter von live moderierten Gameshows im Internet. Bei all diesen Unternehmen will Kobza an seinen Partnern das Allerwichtigste entdeckt haben: nämlich "unternehmerische Leidenschaft und den Willen, ein großartiges Unternehmen aufzubauen.

Bereits verkauft - und zwar an die Tageszeitung "Der Standard" - wurde hingegen ein Online-Portal namens "Quax", das Usern, die "auf Qualität setzen", Empfehlungen aller Art bietet. Kobza arbeitet laufend mit diversen Investment-Partnern sowohl im Ausland als auch in Österreich zusammen. Dazu zählen etwa die "Brains to Ventures AG" in St. Gallen/Schweiz oder der bereits erwähnte Manfred Reichl. Dieser hält so wie Kobza Anteile an der Online-Company "Yasssu.com", die es Kunden ermöglicht, sich ein individuelles Informationsportfolio im Internet zusammenstellen, das am Mobiltelefon abgerufen werden kann.

Markus Wagner, 33, hat mit seiner "Cielo Privatstiftung" und der "i5invest Beratungs GmbH" ebenfalls ein kleines Imperium an Internet-Firmen geschaffen. An manchen ist er selbst minderheitsbeteiligt - darunter der Online-Reiseführer "tripwolf", die auf 3D-Handyspiele spezialisierte "Xendex" oder die 2007 gelaunchte Bewertungssite "Tupalo". Wagner, der im Vorjahr den "Business Angel-Award" erhielt, versteht sich primär als "IT-Inkubator" - also Brutkasten für Online-Firmen - und Mobile-Geschäftsmodelle, also Business-to-Consumer-Web-2.0-Projekte.

Zwischen Superdeal und totalem Flop

Manche sind daher bereits wieder verkauft: Das beste Beispiel war der Deal mit der amerikanischen "VeriSign", die ihm 2006 "3united", einen Mehrwertdienstanbieter für Handys, dem Vernehmen nach um 55 Millionen Euro abnahm. Im März 2010 wurde sodann die Personensuchmaschine "123people Internetservices GmbH" an die französische "Page Jaunes"-Gruppe abgetreten. Sie war bereits nach 18 Monaten operativer Tätigkeit profitabel gewesen. Allerdings: Gelegentlich schlittert eine Gründung alsbald wieder - so wie das Social Advertising-Portal "email-charity" - in die Pleite.

Österreichs Business Angels, die großteils in der i2-Börse der Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS) aufgelistet sind (siehe Kasten), können sich jedenfalls "die Projekte aussuchen", meint Daniel Keiper-Knorr, und "agieren dabei sehr opportunistisch". Nachsatz: "Sie müssen ja nicht investieren". Was sie von ihren Schäfchen erwarten? Keiper-Knorr - derzeit an der "MPW mobile picture website technologies", an "Garmz", einem Portal für junge Modeschöpfer, sowie, gemeinsam mit Wagner, an "Xendex" beteiligt - beantwortet die Frage kurz und bündig: "Einen Businessplan, Offenheit und Partnerschaft - und natürlich Profit."

Am meisten Chancen haben - theoretisch - Projekte, bei denen es um eine neuartige Geschäftsidee mit großem Marktpotenzial und hohen Wachstumsaussichten samt klaren Alleinstellungsmerkmalen geht, wobei ein qualifiziertes Management ebenfalls gefragt ist. Die Branche ist nicht das Entscheidende. Für kapitalsuchende Firmengründer ist es allerdings nicht einfach, gleich mehrere Business Angels zu überzeugen - was in der Regel unumgänglich ist.

Das Aufstellen von ein paar hunderttausend Euro bereitet ihnen folglich ähnlichen Stress, wie an Subventionen heranzukommen, die etwa die AWS (PreSeed, Seedfinancing sowie die Programme Impulse XL und XS) oder Departure, die Kreativagentur der Stadt Wien (etwa mit Departure Classic), regelmäßig offerieren. In der Praxis erlebt man dabei häufig ein Verwirrspiel: Die Förderer erwarten von den Einreichern, dass sie schon einen Business Angel an der Angel haben - zugleich wird Risikokapital meist erst lockergemacht, wenn bereits eine Subvention sicher ist.

Viele können daher sich daher - wie Manfred Burger - wohl nur damit trösten, dass es zumindest andere geschafft haben: etwa die Gründer der Internet-Telefonie-Company "JaJah", Roman Scharf und Daniel Mattes. Die haben die Firma Ende 2009 an die spanische Telefonica verkauft. Den Erlös - 207 Millionen Dollar - mussten sie allerdings mit ihren früheren Geldgebern teilen. Sie hatten das Glück gehabt, sich auf einen Financier aus dem kalifornischen Silicon Valley verlassen zu können. Die Erfolgs-Duo trennte sich daraufhin im Guten, und jetzt sind die beiden, jeder für sich, schon mit ihren nächsten Projekten befasst.