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Engpass in der Kinderintensivmedizin

Von Christian Rösner

Politik
"Die neonatologische Versorgung im Wiener Krankenanstaltenverbund ist gegeben", heißt es seitens des KAV.
© Keystone/Gaetan Bally

Immer wieder müssen Abteilungen wegen Personalmangels kurzfristig geschlossen werden. Der KAV bestreitet das.


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Wien. Eklatanter Personalmangel, Managementfehler, geschlossene Abteilungen und drohende Engpässe: "Der Zustand der Kinder-Intensiv-Medizin in Wien ist mehr als besorgniserregend", heißt es aus internen Quellen des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV).

Der Personalmangel habe sich durch Fehler bei der Erstellung der Dienstpläne verschlimmert. Betroffen seien die drei Spitäler in Wien, die Kinderintensivmedizin anbieten: das AKH, das Donauspital und das Kaiser-Franz-Josef-Spital. In allen drei mussten bereits tageweise diese Abteilungen schließen, so die Insider-Information. Erst vergangenen Mittwoch soll die Station für Kinderintensivmedizin im Kaiser-Franz-Josef-Spital gesperrt worden sein, gefährliche Engpässe werden auch künftig befürchtet.

Die Behandlung auf einer normalen Intensivstation ist für Kinder oft nicht möglich, weshalb die spezialisierte Behandlung auf der Kinderintensivstation nötig ist. "Die Stadt Wien und der KAV sind gefordert hier sofort zu handeln, um nicht bei den Kleinsten zu sparen", erklärte dazu Wiens ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec am Dienstag. Wien sei schließlich eine junge Stadt, die einen großen Zuzug vor allem durch Jungfamilien erlebe.

Situation zusätzlich verschärft

"Um dem gerecht zu werden, müssen auch die gesundheitsrelevanten Strukturen angepasst werden", so Korosec weiter. Denn es handle sich hier um keinen Einzelfall. Diese Engpässe gebe es laufend, weil es zu wenig Kinderärzte in Wien gebe. "50 Prozent der Kinderärzte arbeiten viel lieber ohne Krankenkasse, weil sie dann mehr verdienen können", so die Gesundheitssprecherin.

Eine weitere Insiderin, die nicht namentlich genannt werden will, kritisiert, dass es schon seit Jahren Engpässe in der Kindernotfallmedizin gibt. Aber die Stadt habe bis dato nichts dagegen getan. Zwar wurde im AKH 2012 eine eigene Kinderchirurgie geöffnet, aber ohne 24-Stunden-Dienst - was dazu geführt habe, dass immer wieder Kinder in der Erwachsenenchirurgie gelandet sind. Es herrsche in diesem Bereich nach wie vor dasselbe Problem wie in der Kinderpsychiatrie: Es werde kaum Personal aufgenommen.

Im AKH gibt es etwa laut dem Gesundheitssprecher der Bundes-FPÖ, David Lasar, derzeit nur einen Kinderherzchirurgen, der pro Jahr 250 bis 300 Operationen absolvieren muss. Verschärft wurde das Problem nicht zuletzt durch das noch von Ex-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely umgesetzte neue Ärztearbeitszeitgesetz, das keine Überstunden mehr erlaubt.

Sogar der neue Gesundheitsstadtrat Peter Hacker hatte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" eingeräumt, dass seine Vor-Vorgängerin in dieser Sache zu spät reagiert habe. Denn dass es eine EU-Richtlinie zu neuen Arbeitszeitregelungen gibt, habe man schon seit 20 Jahren gewusst. "Ich habe dieses Thema für die Kollektivverträge, für die ich verantwortlich war, schon vor 15 Jahren bereinigt", meinte Hacker vor zwei Wochen. Er bezog sich damit auf seine frühere Rolle als Chef des Fonds Soziales Wien.

Besonders kritische Stimmen erheben den Vorwurf, mit dem generell bestehenden Ärztemangel werde fahrlässig mit Menschenleben umgegangen. Früher seien etwa bei Nachtdiensten auf einer internistischen Station zwei Fachärzte, ein Arzt in Ausbildung und ein Turnusarzt auf 72 Patienten gekommen. Seit der neuen Arbeitszeitregelung seien es nur noch ein Facharzt und ein Turnusarzt. "Wenn da zwei Notfälle gleichzeitig eintreffen, fragt der Arzt: Wer von den beiden ist der Jüngere? Er hat auch keine andere Wahl", meint ein Mediziner.

Aber selbst wenn die Primarärzte Personal nachbesetzen dürften, würden sie es nicht tun, weil sich weiter alles in der Schwebe befinde: Niemand wisse derzeit, welche Abteilungen nun genau zusammengelegt und welche zugesperrt werden sollen. Auch viele Oberärzte würden sich schon länger in Warteposition befinden - "sie wollen erst einmal abwarten, was nun unter dem neuen Bürgermeister Michael Ludwig passiert", heißt es.

KAV: Alles in bester Ordnung

Beim Krankenanstaltenverbund reagierte auf eine telefonische Nachfrage am Dienstag mit einer schriftlichen Stellungnahme. Derzufolge ist alles in bester Ordnung: Es sei im Kaiser-Franz-Josef-Spital am vergangenen Mittwoch zu keiner Sperre der Kinderintensivstation gekommen - vielmehr wurden die Intensivbetten kurzfristig als "Intermediate Care Betten" geführt. Insgesamt sei daher der Bettenstand gleich geblieben, heißt es vom KAV. Die Stellungnahme im Wortlaut: "Die neonatologische Versorgung im Wiener Krankenanstaltenverbund ist gegeben. Die neonatologischen Abteilungen des Krankenanstaltenverbundes (AKH Wien, Donauspital, Wilhelminenspital, Kaiser-Franz-Josef-Spital, Krankenanstalt Rudolfstiftung) arbeiten eng zusammen, um frühgeborene und kranke neugeborene Babys in einem abgestuften System bestmöglich zu behandeln. Dazu gibt es Intensivbetten und Intermediate Care Betten (Zwischenstation zwischen Intensivstation und Normalpflege). Im Kaiser-Franz-Josef-Spital werden kurzfristig Intensivbetten als Intermediate Care Betten geführt, d.h. der Bettenstand hat sich in Summe nicht verändert. Durch die enge, KAV-weite Zusammenarbeit der neonatologischen Abteilungen ist die Versorgung gesichert."

Nicht eingegangen wird darauf, dass bei Vollauslastung lebensbedrohliche Fälle, wie schwere Risikogeburten oder Kinder mit schweren Verletzungen nicht aufgenommen werden. Die müssen weiter nach St. Pölten oder Graz geschickt werden.