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Als Folge der geplanten Verschärfung des Fremdenrechts könnte sich die Situation in Wiens Obdachlosenquartieren zuspitzen.
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Wien. Wie berichtet, steht das Fremdenrecht in Österreich vor einer neuerlichen Verschärfung. Diesmal stehen Asylwerber im Mittelpunkt, die eine geringe Wahrscheinlichkeit haben, einen legalen Status in Österreich zu bekommen. Nach Plänen des Verteidigungs- und Innenministers Peter Doskozil und Wolfgang Sobotka kann jenen Asylwerbern, die bereits einen rechtskräftig negativen Asylbescheid haben, die Grundversorgung gestrichen werden - falls sie bei ihrer Ausreise aus Österreich nicht mitwirken. Das neue Fremdenrechtspaket passierte diese Woche den Ministerrat und wird gerade dem Parlament vorgelegt.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen könnten insbesondere Wien treffen, wo sich derzeit die meisten Asylwerber aufhalten. "Aus Wiener Sicht befürchten wir mit der geplanten Streichung der Grundversorgung für ausreisepflichtige Asylwerber und Asylwerberinnen eine steigende Obdachlosigkeit und ein Sicherheitsproblem für unsere Stadt", warnt etwa die Wiener Sozialstadträtin Sandra Frauenberger.
1300 Personen mit negativen Asylbescheid in Wien
Mit 123 Prozent Auslastung und rund 21.000 Personen in der Grundversorgung hat Wien im vergangenen Jahr die Asylwerberquote übererfüllt. 63 Prozent der Personen in Grundversorgung in Wien leben derzeit in privaten Unterkünften, 37 Prozent in rund 90 organisierten Quartieren. Von 21.000 Leistungsbeziehern in Wien befinden sich laut Informationen aus dem Innenministerium rund 12.000 Personen in einem laufenden Asylverfahren.
Gleichzeitig beläuft sich die Zahl jener Personen, die bereits einen rechtskräftig negativen Asylbescheid bekommen haben und immer noch in Wien wohnhaft sind, auf rund 1300. Sie würden im Falle einer Streichung der Grundversorgung mittellos bleiben, warnen vor allem NGOs: darunter auch der Verein Ute Bock.
In dieses Flüchtlingsprojekt in der Zohmanngasse 28 in Favoriten kommen regelmäßig subsidiär Schutzberechtigte, Asylwerber im laufenden Verfahren und solche ohne gültige Papiere, die auf der Straße stehen, um sich dort als obdachlos zu melden. Meist bekommen sie dort auch Lebensmittel und Kleidung oder melden sich für einen Deutschkurs an.
"Die Zahl der Anmeldungen liegt bei uns konstant bei 650", sagt Ariane Baron vom Verein Ute Bock und betont, dass gerade diese Anmeldung den meisten von ihnen ermöglicht, eine feste Adresse in Wien zu haben und somit überhaupt im Asylverfahren zu bleiben. Für eine Anmeldung reichen dort im Normalfall ein Beratungsgespräch sowie ein Lichtbildausweis oder eine Identitätsbestätigung des Innenministeriums. Wer keine Identitätsdokumente besitzt, bekommt von Sozialarbeitern des Vereins eine Meldebestätigung für Fremde ohne Ausweis ausgestellt.
Geplante Verschärfungen im Fremdenrecht sieht man im Verein Ute Bock erwartungsgemäß kritisch: "Das neue Gesetz wird in Österreich für noch mehr obdachlose Flüchtlinge sorgen", sagt Baron und fragt sich, was mit ehemaligen Asylwerbern passieren wird, die aufgrund eines fehlenden Übernahmeabkommens in ihr Heimatland nicht oder nur schwer zurückkehren können.
Nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf können für jene Personen, die das Land trotz gültigen Ausreisebescheids nicht verlassen, eine Strafe von 5000 bis zu 15.000 Euro oder sechs Wochen Ersatzhaft verhängt werden.
Laut 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ist derzeit eine Grundversorgung seitens des jeweiligen Bundeslandes auch für jene Asylwerber vorgesehen, deren Asylverfahren bereits negativ abgeschlossen sind. In Wien führt man immer noch keine Statistik darüber, wie lange Personen mit negativem Asylbescheid die Grundversorgung in Anspruch nehmen. Laut bisherigen Regelungen hatten ausreisepflichtige Personen vier Monate Zeit, das Land zu verlassen. Laut Informationen aus dem Fonds Soziales Wien, der unter anderem für die Grundversorgung der in Wien lebenden Asylwerber zuständig ist, stellt die Obdachlosigkeit bei dieser Gruppe derzeit kein akutes Problem dar.
Genauso wie beim Verein Ute Bock befürchtet man auch bei der Caritas aufgrund der geplanten Verschärfungen im Fremdenrecht Probleme bei jenen Personen mit negativem Asylstatus, die in ihr Heimatland nicht zurückkehren können: "Für diese Menschen muss es eine Lösung geben, die nicht Illegalität und Obdachlosigkeit heißt. Niemandem ist gedient, wenn Menschen verzweifelt und unversorgt auf der Straße landen", sagt Haiderer.
Würde nun die Stadt Menschen mit rechtskräftig negativem Asylbescheid aus der Grundversorgung entlassen, blieben sie tatsächlich ohne jeglichen Versorgungsanspruch: Einen Zugang zu Leistungen der Wohnungslosenhilfe haben nämlich nur Wiener, die bereits österreichische Staatsbürger sind oder laut dem Wiener Sozialhilfegesetz den Österreichern gleichgestellt sind.
Auslastung beim FSW liegt derzeit bei 90 Prozent
Dass eine Steigerung von Obdachlosenzahlen in Wien tatsächlich zu Engpässen in der Versorgung führen kann, zeigen aktuelle Daten aus dem Fonds Soziales Wien (FSW). Im laufenden Winter hat dieser im Rahmen seines Winterpakets die Kapazitäten der Notschlafstellen aufgestockt. Dort können alle Personen, die sich in Wien aufhalten und über keine Unterkunft verfügen, nächtigen. Momentan liegt die Zahl der Schlafplätze bei 1100 und die Auslastung bei 90 Prozent. Die Wiener Caritas bietet derzeit 1200 Beherbergungsplätze und Notunterkünfte in 23 Einrichtungen. Auch hier sind die Kapazitäten voll: "Unsere Notquartiere sind meist voll ausgelastet", sagt Martin Haiderer.