Berater Andreas Kovar über Lobbying und Transparenz in der Gesetzgebung.
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"Wiener Zeitung": Wie beurteilen Sie die Anklageerhebung gegen Ernst Strasser?Andreas Kovar: Es ist rechtsstaatlich sehr sinnvoll, dass der Verdacht geklärt wird. Dazu sind normalerweise die Gerichte da, das ist man nur in Österreich, wo eine Anklageerhebung schon als Urteil wahrgenommen wird, nicht gewöhnt. Das Gericht muss klären, ob eine strafbare Handlung vorgelegen ist oder nicht. Da brauche ich kein Jurist sein, sondern nur Demokrat.
Halten Sie den Fall Strasser für singulär oder gehört es in Brüssel zum Alltag, dass sich Firmen mit unmoralischen Angeboten an Abgeordnete wenden?
Dass Abgeordnete Geld für Gesetzesinitiativen erhalten, ist in Brüssel schon länger strafbar, in Österreich seit kurzem auch. Ich halte es nicht für einen Standardfall - weder in Brüssel noch in Wien. Aber Bestechung von Abgeordneten macht ohnehin nicht sehr viel Sinn - der Einfluss der einzelnen Mandatare auf den Gesetzgebungsprozess ist in Österreich extrem marginal. Da macht allemal mehr Sinn, über die politischen Parteien Einfluss zu nehmen. Genau diese Möglichkeit ist jetzt mit der Neuregelung der Parteienfinanzierung geändert worden. Das war längst überfällig.
Im Sommer wurde das Lobbyingregister beschlossen, das Sie als Berater trifft. Ihr Kommentar dazu?
Das Gesetz ist für uns unproblematisch. Es beinhaltet eine Registrierungspflicht und Verhaltensregeln, die eigentlich selbstverständlich sind. Allerdings ist das Register nur ein Bruchstück, das relativ bald totes Recht sein wird. Denn eigentlich geht es darum, dass Gesetzgebungsprozesse für Durchschnittsbürger, Interessensvertreter, Vereine und Verbände nachvollziehbar und transparent werden. In Brüssel gibt es ein Grünbuch, ein Weißbuch und die verschiedenen Versionen der Entwürfe. Das ist in Österreich nicht der Fall. Hier wird der fertige Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt, Änderungsvorschläge werden schon fast als Majestätsbeleidigung betrachtet. Der Widerstand gegen Änderungen ist deswegen so hoch, weil man zu diesem Zeitpunkt schon viel in das Gesetz investiert hat, das bis dahin aber intransparent zustande gekommen ist. Es würde Sinn machen, den Prozess transparent zu machen, dann kann man ein Register derer, die Eingaben gemacht haben, damit verknüpfen.
Aber immerhin gibt es den Begutachtungsprozess mit der Möglichkeit zu Stellungnahmen.
Ja, aber erst zu einem sehr späten Zeitpunkt. Wir werden oft schon sehr früh gefragt, wie wir oder unsere Kunden einen Gesetzesaspekt sehen. Wenn ein Ministerium clever ist, hält es mit den Praktikern Rücksprache. Diese Textvorschläge, die ja schriftlich erfolgen, könnte man alle sichtbar machen.
Im U-Ausschuss wurde es als Skandal gesehen, dass sich Unternehmen Gesetze selbst schreiben.
Ich sehe das nicht als Skandal. Wenn Sie mit einem Punkt in einem Gesetz nicht zufrieden sind, können sie entweder essayistisch beschreiben, warum das so ist - oder Sie schreiben es gleich selbst so, wie Sie es gerne hätten. Ich verstehe die Skandalisierung nicht, es sollte der Normalfall sein, dass jeder an Gesetzen mitarbeiten kann.
Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand der Volkspartei?
Das Problem ist ein Versagen des Systems an sich, nämlich der enorme Einfluss der politischen Parteien in Österreich auf das wirtschaftliche, administrative und alltägliche Leben. Wir haben kein Primat des Parlaments oder der Gesetzgebung, sondern ein Primat der Parteipolitik. Wenn man so etwas zulässt, jeden Parteifunktionär mit derartiger Machtfülle ausstattet und Machtmissbrauch nicht kontrolliert und nicht sanktioniert, dann erzeugt das eben solche Zustände. Dieser enorme Machtmissbrauch in Österreich ist das Problem.
Aber glauben Sie, dass es Michael Spindelegger gelingt, in seiner Partei aufzuräumen?
Es herrscht ein unglaubliches Misstrauen gegenüber privaten Firmen. Aber Parteien sind nichts anderes als private Organisationen - und die haben einen unglaublichen Einfluss, der auch in die Medien hineinwirkt. Ich glaube nicht, dass Spindelegger das in den Griff bekommt, kein Parteichef schafft das. Nötig ist vielmehr eine grundlegende Demokratiereform. Dazu müssten die Parteien auf ihre Machtfülle verzichten, was sie nicht freiwillig tun werden. Derzeit wissen auch die Abgeordneten nicht, was sie im Parlament entscheiden.
Sie fordern also mehr legistische Kompetenz für das Parlament?
Die Ressourcen des Parlaments müssen ausgebaut werden. Aber wir müssen mit einer Wahlrechtsreform anfangen. Der Einfluss der Parteien bei der Listenerstellung ist viel zu groß.
Zur Person
Andreas Kovar
Kovar ist Partner der Wiener Beratungsfirma Kovar & Köppl Public Affairs und Vorstand des Austrian Lobbying and Public Affairs Council. Er war Klubreferent im österreichischen und europäischen Parlament.