In fast allen anderen europäischen Ländern ist der Bachelor-Abschluss Usus.
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Wien. Pflegewissenschafterin, Pflegehelfer oder Altenfachpfleger: In unserer immer älter werdenden Gesellschaft werden immer neue Berufsbilder in diesem Bereich geschaffen. Doch nur wenige wollen einen solchen Beruf auch ergreifen: Österreichweit fehlen etwa 7000 Pflegekräfte. Obwohl die Berufsgruppe der Gesundheits- und Krankenpfleger laut Studien in der Bevölkerung hohes Ansehen genießen, kann sich kaum jemand vorstellen, in diesem Bereich zu arbeiten.
Geringe Karrierechancen,
international Schlusslicht
Was ist der Grund dafür? Ursula Frohner, Präsidentin des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) macht geringe Karrierechancen und fehlende internationale Anschlussmöglichkeiten dafür verantwortlich. Sie ortet "enormen Reformierungsbedarf" in der Ausbildung. Der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege ist europaweit im tertiären Sektor angesiedelt.
In Österreich kann man zwischen Gesundheits- und Krankenpflegerschule, Fachhochschule (FH) und Universität (privat sowie öffentlich) wählen, der Großteil der Ausbildungen findet aber an Schulen statt. Einen Bachelor-Abschluss kann man hierzulande nur an zwei Standorten erhalten: an der länderfinanzierten Fachhochschule Salzburg und an der Fachhochschule Campus Wien, wo es derzeit etwa 50 vom Bund finanzierte Studienplätze gibt. "Unser Bedarf wäre dreimal so hoch", erklärt Studiengangsleiterin Roswitha Engel der "Wiener Zeitung". Also doch kein Problem mit Interessenten?
Auch Alexander Juen vom Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds (WAFF) spricht von "ausreichendem Interesse". Der WAFF vermittelt Arbeitssuchende, die im zweiten Bildungsweg etwa zur Diplomkrankenpflegerin ausgebildet werden. Oft seien es Wiedereinsteigerinnen, die diese Maßnahmen nutzen. Er spricht von guten Erfahrungen, der einzige Nachteil sei, dass man nach langer Absenz vom Beruf das Lernen nicht mehr gewohnt sei.
Ruf nach Ausbildung für 24-Stunden-Kräfte
Josef Zellhofer, Bundesvorsitzender der Gewerkschaftsbundes für Gesundheits- und Sozialberufe, verweist auf Schweden, wo Krankenschwestern nicht nur Hilfsdienste durchführen, sondern jene Aufgaben wahrnehmen, die bei uns in den Bereich der Hausärzte fallen. Er fordert eine eigene Ausbildung für 24-Stunden-Kräfte - denn derzeit müssten diese keinerlei Ausbildung vorweisen. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Österreich auch eine Matura nicht zwingend notwendig, um eine Ausbildung zum Krankenpfleger zu beginnen. Schließlich variieren auch Dauer und Intensität der Ausbildung stark: Jene zum Gesundheits- und Krankenpfleger dauert drei, die für Pflegehilfen aber nur ein Jahr. Bei den Bachelor-Studien wird oft die fehlende Praxis kritisiert. "Nicht die Quantität, sondern die Qualität" zählt für Gewerkschafter Zellhofer.
Verhandlungen zur Pflegereform laufen
Derzeit verhandelt Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Pflegestrukturreform. Bis Dezember 2012 soll geklärt werden, wie der Pflegesektors fortan finanziert wird, Qualitäts- und Ausbildungsstandards sollen fixiert werden.
Etwa zehn Prozent der im Pflegebereich tätigen Menschen sind in der Pflegewissenschaft aktiv. ÖGKV-Chefin Frohner wünscht sich, dass Forschung von jenen Menschen betrieben werden soll, die im Pflegebereich tätig sind -und nicht von Externen.
Derzeit werden immer noch 80 Prozent der betreuungsbedürftigen Älteren zu Hause -meist von Frauen - gepflegt. Deshalb sei Pflegeberatung für Angehörige wichtig, meint Frohner. Aber auch das gesellschaftliche Bewusstsein für den Stellenwert von Gesundheits- und Krankenberufen müsse erhöht werden, betont die Expertin. Denn die Mediziner würden zwar schwere Erkrankungen diagnostizieren und behandeln, doch bei der Rückkehr in den Alltag seien nicht die Ärzte, sondern die Pflegenden und deren Fachkompetenz von zentraler Bedeutung.