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Enquete als Ärgernis: Wenn Politik zur Glaubensfrage degradiert wird

Von Walter Hämmerle

Analysen

Wenn es stimmt, dass in der Demokratie der öffentlich Diskurs das Mittel zur Konsensherstellung ist - ja, dann ist Österreichs Demokratie sehr, sehr weit weg von diesem Ideal. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, so hat ihn am Mittwoch die parlamentarische Enquete zum Thema Verteilungsgerechtigkeit erbracht. | Der ÖVP-Vorschlag eines Transferkontos ist eine spannende Idee, wert, dass darüber ausführlich gestritten wird. Dass die SPÖ die Forderung ablehnt und Gegenargumente sonder Zahl ins Feld führt, ist völlig legitim. Und natürlich sucht, wer die Treffsicherheit von Sozialleistungen erhöhen will, automatisch auch nach Einsparungspotenzial. Auch das ein ehrenwertes politisches Ziel.


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Nur noch ärgerlich ist dagegen die Art und Weise, wie SPÖ und ÖVP diese Debatte am Mittwoch ausgetragen haben. Jede der beiden Regierungsparteien hat ausschließlich Experten eingeladen, die den je eigenen Standpunkt argumentativ untermauerten. Interessierten Zuhörern ohne Nähe zu Rot oder Schwarz wurde so keine Chance gelassen, sich ein objektives Bild zu machen - die Sachfrage wurde buchstäblich zu einer politischen Glaubensfrage herabgewürdigt.

Natürlich gibt es keine Objektivität in der Wissenschaft, schon gar nicht in den hochpolitischen Gesellschaftswissenschaften. Wie Armut verhindert oder Vermögen gerecht verteilt wird, kann der Politik kein noch so unabhängiger Experte raten. Das ist ihr ureigenster Hoheitsbereich.

Aber dass sich in Österreich die Damen und Herren Experten nicht einmal darüber verständigen können, ob nun ausreichend Transparenz und Information über die diversen sozialen Transferleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden besteht, ist ein Armutszeugnis. Österreich hat ein massives Defizit an partei- und politikunabhängigen Sozialwissenschaftern.

Vielleicht wäre es an der Zeit, über die Einladungspraxis für Experten zu parlamentarischen Enqueten nachzudenken. Es ist durchaus verständlich, dass die Parteien ihnen wohlgesonnene Fachleute zur Unterstützung der eigenen Argumentationslinie zur Seite haben wollen. Nur, wie sinnvoll ist es, wenn eine Frage in so vorhersehbaren Bahnen abläuft - ohne Spannung und ohne jedes Überraschungselement?

Das Problem ist nur: Welche Institutionen sollten neben den Parteien das Recht erhalten, Experten für solche Enqueten zu nominieren? In Österreich fehlt es nicht nur an unabhängiger Expertise, sondern auch an parteifernen Institutionen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz.

Siehe auch:Starre Fronten beim Transferkonto