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Enteignung des Mittelstands?

Von Christian Felber

Gastkommentare

Das Budgetdefizit beläuft sich laut Bundesfinanzrahmengesetz heuer auf 13,2 Milliarden Euro, nächstes Jahr auf mehr als 10 Milliarden. Um ein ausgeglichenes Budget zu erzielen, gibt es zwei Wege: 13 Milliarden Euro einsparen oder 13 Milliarden Euro mehr Steuern einheben. Oder eine Kombination aus beidem.


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Ein Blick in die Geschichte liefert Anhaltspunkte. Im New Deal der 1930er Jahre hob US-Präsident Franklin D. Roosevelt den Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer von 24 auf 79 Prozent an, die Unternehmensgewinnsteuer von 15 auf 45 Prozent und die Erbschaftssteuer auf 77 Prozent. Dwight D. Eisenhower legte noch ein wenig zu und erhöhte den Spitzensteuersatz auf 94 Prozent. Geschadet hat das der US-Ökonomie nicht, im Gegenteil, sie kam erfolgreich aus der Krise und schaffte es, einen Staatsschuldenberg, der zu Kriegsende größer war als jener von Griechenland heute, abzubauen.

Auch Österreich hat jetzt die historische Wahl: Entweder wir tasten die überflüssigen Reichtümer der Wohlhabendsten auch weiterhin nicht an und sparen uns in die Rezession. Oder wir wandeln einen Teil des Geldes in reale Investitionen, Arbeitsplätze, Einkommen und neue Steuern um. Das Gesamtvermögen der Privathaushalte beläuft sich in Österreich auf 1,2 Billionen Euro. Da die obersten 10 Prozent rund 60 Prozent des Gesamtvermögens besitzen, haben sie rund 720 Milliarden Euro. In Krisenzeiten wie diesen ist es zumutbar, sie mit durchschnittlich 1,5 Prozent zu besteuern (ab einem Vermögen von etwa 300.000 bis 500.000 Euro). Das ergäbe 10,7 Milliarden Euro und hätte großes Budgetsanierungspotenzial. 90 Prozent der Bevölkerung bleiben steuerfrei. Da sie nur rund ein Drittel des Vermögens besitzen, existiert der viel bemühte "Vermögensmittelstand" gar nicht!

Ergänzend könnte eine moderate Erbschaftssteuer, die das jährlich vererbte Vermögen mit durchschnittlich 10 Prozent besteuert, 1,5 Milliarden einbringen, eine österreichische Finanztransaktionssteuer 1,7 Milliarden sowie eine gezielte Bankenabgabe (0,15 Prozent der Bilanzsumme unter Ausnahme der Kredite und des Eigenkapitals) 1,2 Milliarden. Macht in Summe 15 Milliarden Euro - etwas mehr als das aktuelle Budgetdefizit. Ein Teil der Steuereinnahmen könnte in sinnvolle Arbeitsplätze investiert werden: in Bildung (freier Hochschulzugang), Gesundheit und Pflege (Menschlichkeit), öffentlichen Verkehr (Lückenschluss), thermische Gebäudesanierung, erneuerbare Energieträger, ökologische Landwirtschaft. In Summe könnten damit 250.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, wie es die zivilgesellschaftliche Kampagne "Wege aus der Krise" genau vorrechnet.

Lässt man das Vermögen unangetastet in der Hand der reichsten 10 Prozent, werden es diese weder verkonsumieren noch "real" investieren, sondern auf die Finanzmärkte schicken, wo es fröhlich neue Blasen bildet und weitere Krisen produziert.

Christian Felber ist Mitbegründer von Attac und freier Publizist. Soeben erschien "Die Gemeinwohl-Ökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft".