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Entfesselte Wahlkampfkosten

Von Simon Rosner

Politik

ÖVP lag 4,2 Millionen über Kostenobergrenze, SPÖ-Zahlen sorgen bei anderen Parteien für Erstaunen.


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Wien. Nachher ist man klüger, vor allem wenn man um eine Peinlichkeit reicher und eine Strafzahlung ärmer geworden ist. "Selbstverständlich", so erklärte einst Generalsekretär Hannes Rauch, werde die ÖVP die gesetzlich vorgeschriebene Obergrenze für Wahlkampfkostenausgaben von sieben Millionen Euro einhalten. Das war vor rund einem Jahr.

Sein Nachfolger Gernot Blümel musste nun eingestehen, dass aus dem Vorhaben eine Überschreitung von 60 Prozent wurde. Statt 7 hat die ÖVP 11,2 Millionen im Lauf der Nationalratswahl für Werbung ausgegeben. Sie muss nun mit einer Strafzahlung rechnen, die sich rund um 600.000 Euro bewegen wird. Da es mit den Finanzen der Volkspartei nach Heeres-Volksbefragung und diversen Wahlen nicht gerade zum Besten steht, ist das für die ÖVP auch finanziell unangenehm.

Blümel erklärte die Überschreitung mit dem hohen Aufwand, den das erstmals angewandte Gesetz den Parteien abverlangen würde. Ab drei Monate vor der Wahl musste jedes Plakat einer Bezirksgruppe, jedes Zuckerl bei einer Wahlveranstaltung abgerechnet werden. Die ÖVP baute dafür eine Software, in die Datenbank flossen 15.000 Einträge. Allerdings logischerweise erst nach der Wahl. Und da war es dann eben zu spät. "Vor lauter Genauigkeit hat man offenbar den Überblick verloren", sagt Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mittlerlehner. "Ich hatte damit nichts zu tun, übernehme aber die Verantwortung. Es soll künftig nicht mehr passieren."

Am Dienstag müssen, nach einer einmaligen Verlängerung der Frist, alle Rechenschaftsberichte beim Rechnungshof abgegeben werden. Neos und Grüne blieben, wie erwartet, klar unter der Obergrenze, die FPÖ meldet eine Punktlandung von 6,9 Millionen Euro. "Wir haben von vornherein vorsichtig kalkuliert, aber es ist kaum möglich, es bis in die kleinste Einheit zu steuern", sagt Herbert Kickl, Generalsekretär der FPÖ. Er kritisiert den hohen bürokratischen Aufwand, Blümel hatte diesen mit 45.000 Arbeitsstunden hochgerechnet - verteilt auf viele Ehrenamtliche.

Krösus Team Stronach

Das Team Stronach hat auf diese Struktur nicht zurückgreifen können, mit 13,5 Millionen Euro hat der parlamentarische Neuzugang das meiste Geld im Wahlkampf ausgegeben. Eine Strafzahlung von bis zu 1,1 Millionen Euro wäre in diesem Fall möglich, entscheiden muss dies der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat, dem Ludwig Adamovich, der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs, vorsitzt. Dass das Team Stronach noch über der ÖVP liegt, deckt sich auch mit einer Studie des Marktforschungsinstituts Focus Research aus dem Vorjahr. Das Institut hatte die Kampagnen der Parteien begleitet und die Kosten für Inserate, Plakate, TV-, Radio- und Kino-Spots anhand der Listenpreise ermittelt.

Hinter dem Team Stronach lag da die SPÖ an zweiter Stelle, sehr deutlich vor der ÖVP. In den Rechenschaftsberichten stellt sich das nun ganz anders dar, mit 7,3 Millionen Euro lag die Kanzlerpartei nur knapp über der Obergrenze. "Wer auch immer mit offenen Augen vor der Wahl unterwegs war, bleibt nun mit offenem Mund zurück", sagt Stefan Wallner, Geschäftsführer der Grünen.

Den offiziellen Zahlen zufolge hat die SPÖ nur 1,9 Millionen Euro mehr ausgegeben als die Grünen, das Team Stronach bezeichnete dies als "völlig unglaubwürdig". Die Zahlen der SPÖ überraschen auch deshalb, da eine Kampagne, die über den Klub lief, nach heftiger medialer Kritik, dann doch über die Bundespartei ging.

Probleme während Kampagne

Im Juli hatte Geschäftsführer Norbert Darabos, dessen Büro für weitere Stellungnahmen nicht erreichbar war, über die Wahlkampfkosten im "Kurier" gesagt: "Das Problem sind jene 3,5 Millionen, die der Klub im Wahlkampf ausgab, die wir dann aber als Parteiausgabe deklarieren mussten." Trotz dieser nicht einkalkulierten 3,5 Millionen Euro blieb die SPÖ also nur knapp drüber.

Der Rechnungshof wird die Berichte in den kommenden Wochen prüfen, er kann aber mehr oder weniger nur nachrechnen, besitzt keine inhaltlichen Kontrollrechte. Dies hatte der Rechnungshof schon früh am Gesetz bemängelt. Bei Ungereimtheiten können noch zusätzlich Wirtschaftsprüfer beauftragt werden.

Mittlerlehner will darüber nachdenken, ob die Grenze künftig nicht höher gezogen werden soll. Interessanterweise sind im Gesetz bei den sieben Millionen Euro auch keine Indexanpassungen vorgesehen. Wallner sieht keinen Bedarf dafür, in Österreich seien die Wahlkämpfe europaweit ohnehin sehr teuer.

In Deutschland gab etwa die CDU in etwa doppelt so viel aus wie die Schwesternpartei ÖVP, was angesichts der Größe Deutschlands bemerkenswert ist. "Es hat ein Hochrüsten auf Kosten Dritter gegeben", sagt Wallner mit Verweis auf die frühere Regelung der Wahlkostenrückerstattung. Diese wurde zwar abgeschafft, dafür jedoch die Parteienförderung erhöht. Dennoch waren die jüngsten beiden Jahre ein finanzieller Kraftakt für die Parteien, die sich noch dazu strikterer Spendenregeln unterwerfen mussten. Auch das wird noch interessant, wenn die Berichte der Parteien veröffentlicht werden. Sollten Spenden nämlich nicht ausgewiesen worden sein- und völlig marktunübliche Rabatte bei Inseraten oder Plakatwerbung wären wohl als Spenden auszuweisen -, dann sind ebenfalls Strafen zu erwarten. Und zwar noch deutlich höhere.