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Entfremdet und gespalten, aber widerstandsfähig

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Die Vorwahlen in Iowa zeigen die Probleme der USA, aber auch die Möglichkeit, mit den Unzufriedenen in einen zivilisierten Dialog zu treten.


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Wer bei den Republikanern und wer bei den Demokraten für die Präsidentschaftswahl nominiert wird, bleibt auch nach Iowa offen. Drei Themen haben sich aber herauskristallisiert - wahrscheinlich für den gesamten restlichen Wahlkampf: Entfremdung, Spaltung, Widerstandskraft.

Entfremdung: Das politische System der USA wankt unter dem Zorn der Wähler des Mittelstands, die den Patentrezepten der Elite nicht vertrauen. Spaltung: Die provokativen, populistischen Gegenargumente aufrührerischer Kandidaten wirken auf beide Parteien zerrüttend. Widerstandskraft: Aber die offenbar widerstandsfähige Wählerschaft hat gerade die aufwieglerischsten Aussagen durchfallen lassen.

Die USA befinden sich in einem nötigen Prozess interner Erneuerung und Wiedererstarkung. Sie ringen mit denselben Themen wie jede hochentwickelte Wirtschaft, nämlich wie man das Wachstum beleben und seine Früchte gerechter verteilen kann. Wenn wir die Aufgabe lösen können, können wir vielleicht auch bei der Erholung der stagnierenden Weltwirtschaft helfen. Und so viele Sorgen muss man sich im Ausland über eine amerikanische Implosion auch nicht mehr machen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der bombastische Donald Trump gewinnen wird, ist nun etwas weniger groß.

Nach Iowa ist es ein Fehler, so zu tun, als wären die Wähler nicht verärgert über herkömmliche, gefällige Lösungen und nicht bereit, sich unkonventionelle anzuhören. Das ist die Botschaft von Bernie Sanders’ Erfolg. Und es ist ein Fehler zu glauben, wenn nur Hillary Clinton oder auf der republikanischen Seite Marco Rubio Mainstream-Politik besser verkaufen könnten, würden die Wähler einsteigen. Der nächste Präsident der USA wird sich nicht mit einer aufgewärmten, aufgepeppten Version der Vergangenheit ins Finish schleppen.

Spaltend wirkt, wie David Corn von "Mother Jones" es beschreibt, dass das US-System nicht gut genug funktioniert, um den Lebensstandard der großen Masse zu erhalten. Das heißt aber nicht, dass Sanders die Antwort auf alles hat: Seine Pläne für freies College und allgemeine Gesundheitsfürsorge könnten die USA noch weiter in Insolvenz und Spaltung führen, und nicht zu Wohlstand und Einheit. Aber er beschäftigt sich mit den Themen in einer offenen, konstruktiven Weise. Man kann Sanders jetzt nicht mehr als verrückt oder nebensächlich bezeichnen.

Was wir noch aus Iowa lernen können, ist, dass Clinton sich als Präsidentschaftskandidatin verbessern muss. Und damit meine ich nicht nur, dass sie ihr Image aufpolieren und bessere Reden halten muss. Clinton muss sich wirtschaftlicher Themen annehmen.

Die Wähler spüren die "säkulare Stagnation" der Wirtschaft, über die der frühere Finanzminister Lawrence Summers seit Jahren spricht. Er und andere Ökonomen diskutieren radikale Ideen, das Wachstum anzutreiben und die Chancengleichheit zu verbessern. Die Unzufriedenen können in einen zivilisierten Dialog über politische Veränderungen und Verbesserungen einbezogen werden. Das ist die gute Nachricht aus Iowa, für das In- und das Ausland.

Übersetzung: Hilde Weiss