Kampusch-Anwalt will Anspruch auf Amtshaftung prüfen. | SPÖ und ÖVP weiter gegen Einsatz eines U-Ausschusses. | Wien. Die Gewitterwolken um das ÖVP-geführte Innenministerium verdichten sich - und erfassen nun auch die SPÖ. Denn nach der Aussage des abgesetzten Chefs des Bundeskriminalamts (BKA), Herwig Haidinger, vor dem Innenausschuss am Dienstag sind gestern weitere Vorwürfe zum Fall Natascha Kampusch aufgetaucht. Und Kampuschs Entführung im März 1998 fällt in die Amtszeit von Ex-SPÖ-Innenminister Karl Schlögl.
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Konkret geht es um den Hinweis eines anonymen Polizeihundeführers, der nur wenige Wochen nach Kampuschs Verschwinden eine beeindruckend genaue Beschreibung Wolfgang Priklopils abgab. Priklopil, der sich acht Jahre später tatsächlich als der Entführer herausstellen sollte, war zwar schon zuvor kurz überprüft worden, den Informationen des Polizisten ist man aber offenbar nicht mehr ausreichend nachgegangen.
Schlögl, mittlerweile Bürgermeister in Purkersdorf, gab sich wortkarg. "An mich sind diese Vorwürfe nicht herangetragen worden", sagte er zur "Wiener Zeitung". "Entsetzt" und "wütend" reagierte Natascha Kampusch selbst. Während Kampuschs Anwalt Gerald Ganzger die Ermittlungergebnisse abwarten und dann einen Amtshaftungsanspruch prüfen will, richtet Innenminister Günther Platter nun eine Evaluierungskommission ein. Die Expertengruppe um Rechtssektionschef Mathias Vogl soll den Fall untersuchen und beurteilen.
Relativ unaufgeregt reagierte Schlögls Nachfolger als Innenminister Ernst Strasser (ÖVP): Mit dem Vorwurf, Hinweise im Fall Kampusch ignoriert zu haben, "musste jeder leben, der zu dieser Zeit Innenminister war", sagte er.
Strasser "überrascht" von Haidinger-Vorwurf
Auch die anderen Vorwürfe Haidingers kann Strasser nicht verstehen. Wie berichtet, will Haidinger von Kabinettsmitarbeitern Platters und Liese Prokops beauftragt worden sein, Akten im Zusammenhang mit dem Bawag-Skandal, die die SPÖ belasten könnten, an den ÖVP-Klub weiterzuleiten.
"Ich war mehr als überrascht, als ich von seiner Vorgehensweise erfahren habe", sagte Strasser zur "Wiener Zeitung". Haidinger hätte die Vorfälle gleich dem Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) melden müssen. "Aber vielleicht war ihm damals die Suppe zu dünn", meint Strasser: "Warum soll sie jetzt dicker sein?" Er glaubt übrigens nicht, dass die Vorfälle wirklich passiert sind.
Haidinger nahm Strasser, der ihn 2002 zum BKA-Chef ernannt hatte, zwar dezidiert von seiner Kritik aus. Für den Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz ist dies nicht so klar: Er präsentierte eine Weisung aus dem Strasser-Kabinett aus 2004, in der das Büro zur Schleppereibekämpfung aufgefordert wird, eine Sachverhaltsdarstellung gegen den Asylanwalt Georg Bürstmayr an die Staatsanwaltschaft zu schicken, obwohl das Büro "keine strafrechtliche Relevanz" dafür gesehen habe. Dies sei im Parlament aufgeklärt worden, meinte Strasser dazu.
Pilz appellierte erneut an die SPÖ, einem U-Ausschuss zuzustimmen. Dies lehnt aber auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer dezidiert ab. Er betonte jedoch, dass er keinen Einfluss auf den SPÖ-Klub nehmen werde. Auch Klubchef Josef Cap will aber weiter auf die laufenden Verfahren setzen.
Die ÖVP ist um Beruhigung bemüht: Vizekanzler Wilhelm Molterer etwa versprach "Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung". Platter erklärte, das BIA sei mit der Sache befasst.
Das ist aus Sicht des BZÖ gar nicht mehr nötig. Generalsekretär Gerald Grosz fordert die Auflösung des BIA, das er als "politische Securitate der machtbesessenen Dollfüßler" bezeichnete. Der FPÖ-Vorsitzende des Banken-U-Ausschusses, Martin Graf, kündigte schließlich eine Sachverhaltsdarstellung gegen den neuen BKA-Chef Franz Lang und den früheren Kabinettschef im Innenministerium, Philipp Ita, an. Letzter wiederum will rechtliche Schritte gegen Haidinger prüfen.
+++ Der Akt im Wortlaut