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Entlarvender Protest

Von Johannes Schönner

Gastkommentare
Johannes Schönner ist Geschäftsführer des Karl von Vogelsang Instituts in Wien.
© Karl von Vogelsang Institut

Warum ziehen Historiker anonym gegen ein Schoah-Denkmal ins Feld?


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Kurt Yakov Tutter ist ein unbeugsamer Mann, der in Österreich Enormes bewegt hat und trotzdem Österreich nicht verstehen wird. Tutter, hochbetagt und mit der österreichischen und kanadischen Staatsbürgerschaft ausgestattet, hat sich seit Jahren für eine Gedenkstätte in Wien eingesetzt, wo die Namen aller im Holocaust ermordeten österreichischen Juden dargestellt werden.

Selbst ein Schoah-Überlebender, dessen Eltern in Auschwitz ermordet wurden, braucht Tutter seinen Zugang zum Thema niemandem zu erklären. Seit der Jahrtausendwende kämpfte er bei österreichischen Bundesstellen und der Gemeinde Wien um die Errichtung eines Denkmals und fand erst 2018 bei der damaligen ÖVP-FPÖ-Bundesregierung ein offenes Ohr: Sie sagte nicht nur Verständnis zu, sondern auch finanzielle Mittel und sonstige Ressourcen, die für ein solches Projekt nun einmal notwendig sind.

Inzwischen wurde ein Ort gefunden - der Platz zwischen Nationalbank, Altem AKH und Landesgericht -, und die Arbeiten zur Ausgestaltung des Denkmals, das aus zahlreichen Einzeltafeln besteht, um an die 65.000 Namen der Opfer der Schoah zu erfassen, sind bereits weit fortgeschritten.

Bis hierher klingt alles nach einem Happy End. Vor ein paar Tagen jedoch beklagten sich "Zeitgeschichte-VertreterInnen" der Universität Wien* bitterlich, medienwirksam und vor allem anonym, das Denkmal wäre nicht state of the art. Kritikpunkte quollen nur so aus verbitterten Mündern hervor: Das Denkmal berücksichtige keine Homosexuellen, keine Sinti und Roma, und überhaupt seien Form und Didaktik aus dem Jahre Schnee. Der verwendete Stein sei mit großer Wahrscheinlichkeit durch Kinderarbeit in Indien abgebaut worden. Und schließlich: Bestimmt - so genau wussten die heroischen Anonymen es ja gar nicht - war das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) nicht ausreichend eingebunden.

Das DÖW schrie ob dieses Vorwurfs augenblicklich laut auf und bemühte sich, seinen redlichen Beitrag bei der Recherche zu den erfassten Namen klarzustellen. Der Verfasser dieser Zeilen kann als Autor zahlreicher gemeinsamer Projekte mit dem DÖW bestätigen, dass dessen Rechtschaffenheit und Überparteilichkeit in der Darstellung der nationalsozialistischen Tyrannei bis 1945 außer Zweifel stehen.

Der Vorwurf, Tutter habe "eine Chance vertan, um zeitgemäß zu gedenken", bringt einen Offenbarungseid zu Tage, dessen Konsequenzen man sich eindringlich vor Augen führen muss. Wenn dieses Gedenken den Stand vor 20, 30 Jahren abbildet, dann bedeutet dies, dass ein Denkmal ohnehin nur eine kurze Halbwertszeit hat. Dies wiederum bedeutet, dass jedes Denkmal in ein paar Jahrzehnten überholt und in seiner Aussage verkürzt und beschränkt ist. Jeder ewiggestrige Rechte bedankt sich vielmals für diese Begründung. Er hätte den Einwand gegen eine Opferdarstellung nicht plakativer ausdrücken können. Was ist ehrlicher und zeitloser als die nackten Namen von Menschen?

Zustimmung zum Projektvon den falschen Parteien

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass es in Wien für zahlreiche NS-Opfergruppen Denkmäler und Gedenkstätten an verschiedenen, teils prominenten Orten gibt. Tutter ging es aber von Anfang um ein Denkmal für die ermordeten österreichischen Juden - und ein solches ist von keinen historischen Moden oder Opportunitätsüberlegungen abhängig und bewegt sich auch nicht im Graubereich emotionaler oder künstlerischer Verdünnung. Tutter will Namen präsent und keine Stolpersteine überflüssig oder anderen Denkmälern Konkurrenz machen.

Apropos Konkurrenz: Die heroisch Anonymen bringen noch ein Argument gegen das Projekt ein, das sie wohl für das schwerste Geschütz halten: Die Zustimmung zur Realisierung kam 2018 von Türkis-Blau. Pfui aber auch! Hätten die politisch Verantwortlichen es damals nicht getan, wie hätten die Anonymen in diesem Fall aufgeschrien? Die damalige Bundesregierung hat die gestellte Verantwortung übernommen. Vielleicht zu spät, vielleicht erst auf Zuruf. Aber sie hat es getan. Dieselbe Anerkennung gilt für die Stadt Wien. Linke Bundeskanzler haben es zuvor nicht getan.

Dass Wiener Zeithistoriker - sich karriereschonend hinter der Anonymität versteckend - gegen Richtiges argumentieren, nur weil es von unliebsamer Seite vorgetragen und realisiert wurde, ist eine Schande. Einzig parteipolitische Voreingenommenheit lässt diese Wissenschafter die Arbeit der Ewiggestrigen erledigen.

*Anmerkung am 22. Juli 2021: Laut Informationen des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien sind unter den anonymen Zeithistorikern, die das Monument des Bildhauers Kurt Yakov Tutter hinter vorgehaltener Hand kritisierten, keine Vertreterinnen und Vertreter des Zeitgeschichte-Instituts der Universität Wien.