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Entlassung wegen einer "Lappalie"

Von Remo Sacherer

Wirtschaft
Bei einer Entlassung wegen Diebstahls kommt es nicht auf den Wert der gestohlenen Ware an.
© Fotolia - Gina Sanders

Bereits ein geringfügiger Verstoß eines Arbeitnehmers kann zu einer berechtigten Entlassung führen.


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Die Entlassung wegen eines Bagatelldeliktes sorgt derzeit im "Zuckergate"-Fall für großes Aufsehen. Auffällig ist in dieser Diskussion, dass der Eindruck erweckt wird, Bagatelldelikte wären keinesfalls dazu geeignet, eine "Fristlose" zu rechtfertigen. Ohne den Anlassfall inhaltlich bewerten zu wollen, zeigt ein Blick auf die bisherige Judikatur, dass auch Kleinigkeiten genügen können, um schnell seinen Job zu verlieren.

Der OGH stellt nämlich in ständiger Rechtsprechung klar, dass es bei einer Entlassung wegen Diebstahls nicht auf den Wert der gestohlenen Ware ankommt. Auch wenn es um einen noch so kleinen Betrag geht, kann daher eine Entlassung berechtigt sein. Ebenso sind Entwendungen von Sachen geringen Werts aus Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes grundsätzlich strafbar und können eine Entlassung rechtfertigen.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist vielmehr entscheidend, ob das Unternehmen sein Vertrauen in einen Arbeitnehmer verloren hat, der sich am Firmeneigentum vergreift. Ist das Vertrauen verloren, ist es einem Arbeitgeber in der Regel auch nicht mehr zumutbar, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Dies rechtfertigt die sofortige Entlassung. Die Frage des Vertrauensverlusts kann aber nicht generell beantwortet werden, sondern ist dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Zu berücksichtigen ist vor allem, welche Gepflogenheiten im Unternehmen herrschen, und ob vom Arbeitgeber Anweisung oder Verbote für den Umgang mit Firmeneigentum ausgesprochen wurden.

Als vertrauensunwürdiges Verhalten wurde von der Rechtsprechung beispielsweise das Stehlen einer Spraydose oder einer Zündkerze durch Lehrlinge sowie der (ausdrücklich untersagte) Verzehr eines Salzburger Bratens durch eine Küchengehilfin qualifiziert. Ebenso stellte die versuchte Mitnahme von sechs Golatschen durch eine Verkäuferin einer Bäckerei oder diverser Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Milch und Brot durch Hausarbeiterinnen einen Entlassungsgrund dar. Hingegen wurde die Mitnahme von zwei Weckerln sowie einer Portion Personalessen nicht als Entlassungsgrund qualifiziert, wenn einem Arbeitnehmer zwar grundsätzlich der Verzehr beziehungsweise die Mitnahme von Essen erlaubt ist, er aber eine zu große Menge mitgenommen hat. Entscheidend für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes wird daher letztlich sein, ob es entsprechende Regeln für den Umgang mit Firmeneigentum gibt. Zu berücksichtigen sind ferner die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen, das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers sowie dessen Alter und Einsichtsfähigkeit. Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, ist man als Arbeitgeber jedenfalls gut beraten, vor Ausspruch einer Entlassung arbeitsrechtliche Beratung einzuholen.

Remo Sacherer ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei MOSATI Rechtsanwälte.