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Entscheidungsprüfung für Ashton

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Das hätte sich Baroness Catherine Ashton of Upholland vor einem Jahr in ihren kühnsten Träumen nicht gedacht: Außenpolitische Erfahrung hatte sie zwar nicht, doch kürten sie die 27 EU-Staats- und Regierungschefs im November zur ersten Außenministerin der Europäischen Union, die zugleich auch Vizepräsidentin der EU-Kommission ist. Ihre Heimat in der britischen Labour-Party und ihr Geschlecht hatten sie nach der politischen Farbenlehre und Stimmungslage für die neue Position qualifiziert.


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Seit ihrem Amtsantritt kommt sie aus den Negativschlagzeilen nicht mehr heraus, tappt von einem Fettnapf in den nächsten. Der Großteil ihres Presseteams hat bereits entnervt das Handtuch geworfen. Zwischen Ashton und ihrem Ex-Sprecher Lutz Güllner hatte es offenbar einige Missverständnisse gegeben. Sie soll ihm vorgehalten haben, die schlechte Presse nicht in den Griff zu bekommen. Hintergrund dafür sei auch ihre Beratungsresistenz, hieß es im Gegenzug.

Ob die frühere Leiterin der britischen Gesundheitsbehörde alles doch noch in den Griff bekommt, hängt nun entscheidend davon ab, ob sie es halbwegs in der Zeit schafft, einen funktionierenden Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf die Beine zu Stellen. Dann hätte sie auch endlich einen Apparat voller Experten, auf den sie sich stützen kann. Doch die Präsentation ihres Konzepts vor einer Woche hat sich noch nicht als der angestrebte Befreiungsschlag herausgestellt.

Weil sich ihre internationalen Erfahrungen auf ein Jahr als EU-Handelskommissarin beschränken, tut sie sich im gnadenlosen Machtkampf zwischen den unterschiedlichen EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten recht schwer. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso - in der Kommission Ashtons Chef - versucht alles, um seinen Einfluss im EAD so groß wie möglich zu halten. Er hat sich in den letzten fünf Jahren im Ziehen der Fäden zu seinen Gunsten beinahe als Genie erwiesen. Zudem stützt ihn das EU-Parlament bei dem Ansinnen, die größten Budgetbrocken zu behalten. Denn nur so können diese von den Abgeordneten überprüft werden.

Drei Funktionen vereint

Immerhin hat sich Ashton inzwischen den in Brüssel angesehenen dänischen Spitzendiplomaten Poul Skytte Christoffersen als Chefberater für den EAD ins Boot geholt. Vielleicht muss sie auch ihre Einstellung überdenken, ihr Amt bloß unter der Woche auszuüben und am Wochenende heim zur Familie nach Großbritannien zu fahren. Schließlich vereint sie die Funktionen der ehemaligen Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, von Ex-EU-Chefdiplomat Javier Solana und des jeweiligen Außenministers des amtierenden Vorsitzlandes in einer Person. Schon die waren jeweils bis zu 40 Stunden in der Woche allein im Flugzeug auf dem Weg zu ihren Terminen rund um den Erdball gesessen.

So sind die Hoffnungen auf einen Durchbruch in Richtung einer "einheitlichen und effizienten EU-Außenpolitik", die der Lissabonner Vertrag der EU-Außenministerin ins Aufgabenheft schreibt, unter den Profis nicht besonders groß: Ihr Job sei schon für ein politisches Schwergewicht aus dem Kreis der Außenminister kaum zu schaffen, meinte ein erfahrener Diplomat. "Für Ashton ist es schlicht unmöglich."