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Forscher der englischen Universität Loughborough dechiffrieren hunderttausende Tweets, um der politischen Stimmung im Land auf die Spur zu kommen.
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London/Wien. Die Briten sind im Wahlkampffieber, die Wetten laufen, ob Premier David Cameron oder doch Labour-Parteichef Ed Miliband das Rennen machen wird. Ein Gradmesser für die Stimmung auf der Insel sind die hunderttausenden Tweets, in denen die Wahl am 7. Mai auf welche Art auch immer kommentiert wird.
Die beiden Wissenschafter Tom Jackson und Martin Sykora von der Universität Loughborough haben eine App namens VoteBEE entwickelt, einen "emotionalen swing-o-meter", der Gefühle und Stimmungslagen, die in Tweets transportiert werden, analysiert. Die Emotionskategorien, die von den Forschern angewandt werden, umfassen die Gefühle Ärger, Ekel, Angst, Glück, Traurigkeit, Überraschung, Scham und Verwirrung.
Das Anwendungsgebiet für die App ist derzeit noch begrenzt, wie Martin Sykora im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont: "Jeden Tag bekommt man aufs Neue einen Gesamtüberblick darüber, wie die Menschen gefühlsmäßig zu einem bestimmten Spitzenkandidaten oder einem politischen Vorstoß stehen." Ein Wahlsieger lässt sich so aber nicht voraussagen, wie Sykora einräumt: "Leute, die Twitter benutzen, sind ja nicht repräsentativ", sagt der Forscher, obwohl das Medium in Großbritannien intensiver genutzt werde als etwa in Österreich. Sicher sei, dass 70 Prozent aller Twitter-Nutzer in Großbritannien an der Wahl teilnehmen werden. "Twitter umfasst also schon eine relevante Zahl an Wählern."
Jetzt wollen Jackson und Sykora überprüfen, inwieweit die britischen Twitter-Nutzer das Gefühl haben, dass Cameron oder Miliband siegreich aus der Wahlschlacht gehen werde. "Das heißt aber wieder nicht, dass wir das tatsächliche Wahlergebnis vorhersagen", betont Sykora. Doch der Wissenschafter will nicht ausschließen, dass es irgendwann in der Zukunft möglich sein wird, aufgrund von Twitter-Daten das tatsächliche Wahlergebnis zu prognostizieren. "Derzeit ist es aber dafür noch zu früh."
Was kann VoteBee also tatsächlich leisten? "Es gibt zahlreiche hochemotional geführte politische Debatten in Großbritannien, und es ist extrem spannend zu verstehen, welche Emotionen dabei freigesetzt werden. Es handelt sich um eine ergänzende Dimension. Ekelt es die Leute bei einer bestimmten politischen Frage oder sind sie einfach nur sauer?"
Und dann gibt es auch noch politische Persönlichkeiten, die die Twitter-Nutzer einfach kaltlassen: Einer davon ist der britische Liberalen-Chef Nick Clegg.