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217.154 Firmen in Europa 2010 in die Insolvenz geschlittert.
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Wien. Die Pleitewelle ebbt in Europa ab - zum Teil aber langsam. Die Unternehmensinsolvenzen sind im Vorjahr in Westeuropa um 2,2 Prozent auf 174.397 Fälle zurückgegangen, ergibt eine KSV1870-Studie. Doch die Nachwirkungen der Wirtschaftskrise sind in einigen Ländern noch deutlich zu spüren. In Luxemburg, Italien, der Schweiz, Portugal und Dänemark sind die Insolvenzen 2010 erneut deutlich gestiegen, während sie in Finnland, Großbritannien und Norwegen gesunken sind. Indes sind die Pleiten in Ost- und Südosteuropa um 8,5 Prozent auf 42.757 Fälle gestiegen. In Osteuropa verläuft die Erholung durchmischt.
„Eine Ein-Jahres-Betrachtung ist schwierig, jedes Land hat seine Eigenheiten”, sagt Hans-Georg Kantner vom KSV1870. „Manche Länder reagieren schneller, so wie Großbritannien oder die skandinavischen Staaten.”
Der Fünf-Jahresvergleich zeigt, dass sich in Ländern wie Österreich, Deutschland, Schweden und den Niederlanden die Pleiten auf das Vorkrisenniveau eingependelt haben, aber in Griechenland, Spanien, Irland und auch in Italien gibt es Auffälligkeiten. „Dieser Vergleich zeigt uns, in welchen Ländern die Unternehmen über eine robuste und schlanke Struktur verfügen, und in welchen es Strukturdefizite gibt”, sagt Kantner. „In Spanien sind die Insolvenzen innerhalb von fünf Jahren auf das Fünffache gestiegen.” Ein Drittel der Konkurse geht dort laut Creditreform auf das Konto der Bauwirtschaft.
29,1 Prozent der Pleiten in Westeuropa entfielen auf Frankreich und 18,3 Prozent auf Deutschland; jeder zehnte Bankrott betraf Firmen aus Großbritannien und den Beneluxländern.
Auch Norwegen, Portugal, Dänemark, Irland und Spanien, die die größten Zuwachsraten seit 2005 aufweisen, sind auf Entspannungskurs. „Norwegen bekam es 2008 und 2009 knüppeldick, 2010 sehen wir, der Trend ist gebrochen, Norwegen dürfte die Krise bewältigt haben”, sagt Kantner. In Norwegen sorgt vor allem die Förderung von Erdöl und Erdgas für Stabilität. Sie macht laut Creditreform ein Fünftel der Wirtschaftsleistung aus. In Portugal und Dänemark sei der Zenit des Pleitezuwachses überschritten: Nach einem Rekordplus von 54 Prozent (2008) waren es 2010 nur 13 bzw. 16 Prozent.
Griechenland offiziell mit nur 355 Insolvenzen
Aus der Reihe tanzt Italien, wo die Pleiten um 19,6 Prozent anzogen. „Die Insolvenzen sind durch die Krise stark gestiegen, doch ein richtiges Durchatmen gab es auch im Vorjahr noch nicht”, weiß der Insolvenzexperte. „Man muss sich fragen, wie sich die Sparmaßnahmen 2011 in Staaten wie Italien, Spanien oder Griechenland auswirken.” Nachsatz: „Wenn die Öffentliche Hand den Gürtel enger schnallt, darf man nicht glauben, dass das keine Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Auch Österreich muss sich die Frage stellen, aber auf einem anderen Niveau.” Bei Italien müsse man berücksichtigen, dass der Norden wirtschaftlich floriere, der Süden jedoch nicht.
„Frankreich steht deutlich besser da als Italien”, meint Kantner. Mit einem Pleitenrückgang von fünf Prozent nähert sich Frankreich dem Vorkrisenniveau an. Laut Creditreform sind die Insolvenzen in der Industrie sogar um 11,5 Prozent gesunken.
Griechenland weist eine Insolvenzanomalie auf. Laut KSV1870 wurden nur 355 Firmenpleiten gezählt. Eine offizielle Insolvenzstatistik gibt es laut Bruno Freytag, dem WKO-Handelsdelegierten in Athen, aber gar nicht. Der Kreditversicherer Atradius erwartet heuer in Griechenland 30 Prozent mehr Pleiten. Ursache ist vor allem die stark sinkende Kaufkraft durch das Sparpaket der Regierung.