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Es hat ein bisschen gedauert, aber nun hat Barack Obama den lange erwarteten Schritt getan: Der US-Präsident legte die Pläne seines Vorgängers George W. Bush für ein Raketenschild in Osteuropa ad acta. | Unklar bleibt zunächst, was aus dem Rest des Raketenabwehrprogramms wird, das als Überbleibsel von Ronald Reagans "Star Wars"-Idee von Bush wiederbelebt wurde. Immerhin sind auf Kriegsschiffen sowie in Alaska und Kalifornien Abwehrraketen (gegen eine Bedrohung aus Nordkorea) bereits stationiert, in Großbritannien steht eine Radarstation.
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Die angekündigte "umfassende Anpassung" der Raketenpläne verheißt den damit befassten Ingenieuren nichts Gutes: Sie wollten für den weiteren Ausbau des Programms rund acht Milliarden Dollar für das Fiskaljahr 2010. Aber US-Verteidigungsminister Robert Gates hat schon zu Beginn des Jahres Umschichtungen im Verteidigungsbudget angekündigt. Und das US-Militär hat nicht nur die Kriege in Afghanistan und noch immer im Irak zu führen, Obama braucht auch Geld für den Kampf gegen Wirtschafts- und Finanzkrise.
Neben den budgetären Gründen wiegen auch diplomatische und strategische Überlegungen schwer: Für Russland war der Raketenschirm ein Haupthindernis dafür, neue Verhandlungen über Rüstungsbeschränkungen aufzunehmen. Mit dem Verzicht auf die Stationierung könnte Obama seinem Ziel einer atomwaffenfreien Welt ein Stück näher rücken - zumal er sich mehr russische Unterstützung im Atomstreit mit dem Iran erwartet. Auch Teheran gegenüber setzt der US-Präsident ein Zeichen der Entspannung, schätzt er doch offenbar die Gefahr von iranischen Nuklearraketen deutlich geringer ein als sein Vorgänger.
Überraschende Unterstützung erhält er dabei von Israels Verteidigungsminister Ehud Barak, der den Iran erstmals nicht als existenzielle Bedrohung seines Landes betrachtet. Der Minister der Arbeitspartei spricht dabei sicher nicht für die ganze Regierung, deutet aber doch eine Haltungsänderung an. Ist der Zeitpunkt bloßer Zufall? Israel könnte sich dafür ein Entgegenkommen der USA in den Nahost-Verhandlungen erwarten, insbesondere in der Frage des jüdischen Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten.
Während in weiten Teilen der Welt der Schritt Obamas positiv aufgenommen wird, macht sich bei jenen Fraktionen im ehemaligen Ostblock Enttäuschung breit, die sich Nato und USA als Schutzschild gegenüber Russland erhofft haben. Jetzt sind die Anschauungen des "alten Europa", wie Bushs Verteidigungsminister Donald Rumsfeld einst die weniger überzeugten westlichen Bündnispartner bezeichnet hat, im Weißen Haus angekommen. Aber angesichts seiner strategischen Hoffnungen kann Obama wohl den Vorwurf der "Feigheit" verschmerzen.
Siehe auch:Abschied vom US-Raketenschild