)
Nach der Ankündigung der beiden Erzfeinde Türkei und Armenien, in nächster Zeit diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen, scheint Bewegung in die Konfliktzone im südlichen Kaukasus zu kommen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten waren jahrzehntelang durch die Massaker an den Armeniern in den Jahren von 1915 bis 1917 überschattet. Im Ersten Weltkrieg hatte die Türkei, die mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet war, die Deportation der christlichen armenischen Bevölkerung beschlossen, der sie Kollaboration mit dem ebenfalls christlichen russischen Feind vorwarf.
Bei den Deportationen kam es zu unbeschreiblichen Grausamkeiten gegen die armenische Zivilbevölkerung und zu Massakern, die bis zu 1,5 Millionen Todesopfer forderten. Die Tatsache, dass die Türkei diese Zahl stets bestritt und den Genozid an den Armeniern bis heute leugnet, hat bis jetzt eine Verständigung zwischen den Nachbarn verhindert. Das Tauwetter zwischen den beiden Staaten, das im September des Vorjahres begonnen hat, als der türkische Präsident Abdullah Gül zu einem WM-Qualifikationsspiel zwischen Armenien und der Türkei nach Eriwan flog, dürfte aber auf beiden Seiten zu einer pragmatischeren Betrachtung der bilateralen Beziehungen geführt haben.
Einen Stolperstein auf dem Weg zur Normalisierung gibt es allerdings noch: die Region Bergkarabach. Diese war einst eine armenische Enklave im moslemisch geprägten Aserbaidschan, die nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit ausgerufen und in einem blutigen Krieg Anfang der 90er Jahre erkämpft hat. Verbunden war dieser Krieg mit der Vertreibung von Armeniern aus Aserbaidschan und von Aserbaidschanern aus Bergkarabach. Bergkarabach ist seit 1994 von Armenien besetzt. Der Weltsicherheitsrat forderte in vier Resolutionen den Abzug der armenischen Truppen.
Die Türkei macht nun eine vollständige Normalisierung ihrer Beziehungen zu Armenien von einer Lösung dieses Konfliktes abhängig. Das glauben die Türken nicht zuletzt Aserbaidschans Regierung schuldig zu sein - wobei vermutlich auch aserbaidschanische Gaslieferungen und ihr Preis eine Rolle spielen.