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Entstaatlichung ist keine "Einbahnstraße zum Guten"

Von Matthias G. Bernold, Weißenbach

Politik

Zu Beginn der wie immer hochkarätig besetzten Tagung der Österreichischen Juristenkommission (ÖJK) in Weißenbach am Attersee warnte ÖJK-Präsident Gerhart Holzinger davor, bei Privatisierungen die rechtsstaatliche Dimension nicht aus den Augen zu verlieren: "Es muss darum gehen, den hohen rechtsstaatlichen Standard, den wir in diesem Land erreicht haben, auch künftig zu sichern." Justizminister Dieter Böhmdorfer erklärte, Entstaatlichung sei keine "Einbahnstraße zum Guten": Die vielen Pleiten oder auch die ungerechtfertigte Zinsenpraxis österreichischer Banken hätten dies deutlich gezeigt.


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Zu den Schiedsgerichten meinte der Minister, es sei ein "faszinierender Gedanke, dass staatliche Gerichte Konkurrenz bekommen könnten". Hier bestünde eine echte Alternative und wohl auch Entlastung für die Zivilgerichte.

Eine kritische Stellungnahme zu den Schiedsgerichten kam von Richter-Chefin Barbara Helige: Jene seien vor allem dort bedenklich, "wo Leute von vornherein auf die ordentliche Gerichtsbarkeit verzichten - wie es etwa bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Verträgen der Fall ist". Demgegenüber stellte sie fest, dass Instrumente wie die Mediation oder der Außergerichtliche Tatausgleich eine wünschenswerte Form einer Privatisierung gerichtlicher Entscheidungskompetenz darstellten: "So wird der Einzelne mächtiger gegenüber dem Staat". Der Staat würde hier im Strafverfahren nämlich nicht ersetzt, viel mehr würden zusätzliche Möglichkeiten angeboten.

Klaus Hoffmann, Präsident des Rechtsanwaltskammertages, betonte, dass jeder Bürger den gleichen Anspruch auf Erledigung hoheitlicher Aufgaben hat. Die Gerichtsbarkeit sei eine so fundamentale staatliche Aufgabe, "dass sie niemand anderem anvertraut werden darf".

Der Präsident des Rechnungshofs (RH), Franz Fiedler, behandelte in seinem Referat die ökonomischen Aspekte von Ausgliederungen: "Es hat sich sehr deutlich gezeigt, dass es unzulässig wäre, Ausgliederungen grundsätzlich als vorteilhaft oder nachteilig einzustufen," befand Fiedler. Als gelungene Beispiele nannte er Tiergarten- und Schloss Schönbrunn, überwiegend kritisch steht er u. a. zur Ausgliederung der Datenverarbeitung aus dem Bundesrechenamt, und der Eisenbahnaufgaben des Bundes. Grundsätzlich bestünden bei "nahezu allen vom RH geprüften Ausgliederungen" positive Effekte wie flexiblere Haushaltsführung und Personalpolitik, beschleunigte Entscheidungsprozesse und erhöhte Kosten- und Leistungstransparenz. Nachteile seien u. a. die eingeschränkte parlamentarische Kontrolle, die Entstehung "grauer" Finanzschulden und ein erhöhter Personal- und Verwaltungsaufwand. Conclusio: "Ausgliederungen können Verwaltungs-Reformen nicht ersetzen."

Der Grazer Soziologe Manfred Prisching warnte vor einer "kurzfristigen Budgetkonsolidierung durch Verschleudern des Familiensilbers". Auch führe Entstaatlichung, die unter dem Etikett der Entpolitisierung vorgenommen werde, vielfach erst recht zur Politisierung: "In bestimmten Fällen ist der politische Zugriff auf ausgegliederte Organisationen leichter als auf bürokratische Institutionen".

Die Tagung der ÖJK endet am Samstag.