Der Unmut über Obamas Regierung spielt bei den Kongresswahlen den Republikanern in die Hände.
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Washington. Die Enttäuschung über US-Präsident Barack Obama wird mitschwingen, wenn am Dienstag die Amerikaner dazu aufgerufen sind, ihre Stimme bei den Kongresswahlen abzugeben. Alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und 36 Mitglieder des 100-köpfigen Senats werden neu bestimmt. Glaubt man den Umfragen, werden Obamas demokratische Parteifreunde danach keine Mehrheit mehr in den Kammern des Kongresses haben: Jene im Repräsentantenhaus haben sie schon seit 2010 nicht mehr, die im Senat könnten sie nun knapp verlieren. Als Hauptgrund wird die generelle Unzufriedenheit mit der Regierung Obama genannt.
Die Enttäuschung kann Außenstehende dabei schon einmal überraschen. Denn obwohl die Arbeitslosigkeit sinkt und die Wachstumskurve klar nach oben zeigt, sind 68 Prozent der US-Bürger der Meinung, dass ihr Land auf dem falschen Kurs ist. Obama selbst ist sich dieses Unmuts bewusst, stellte aber gleichzeitig fest, dass die USA in einem deutlich besseren Zustand seien als zu seinem Amtsantritt.
Für die wirtschaftliche Erholung hat Obama einiges getan: Er hat ein Stimulus-Paket in Höhe von 787 Milliarden Dollar geschnürt, das kolportierte 3,7 Millionen Jobs geschaffen hat. Er hat eine neue Finanzgesetzgebung durchgesetzt, die eine Krise wie jene, die 2007 begann, künftig verhindern soll. Gleichzeitig wurden amerikanische Banken rekapitalisiert. Doch davon ist das Gros der Bevölkerung offenbar wenig beeindruckt. "Der Grund, warum sie das nicht so sehen, ist, weil die Einkommen und Gehälter nicht steigen", erklärte Obama.
Die Weltwirtschaft setzt allerdings auch nicht mehr allzu große Hoffnungen in Obama. Die Märkte warten offenbar nur darauf, dass die Republikaner im Kongress das Ruder übernehmen. Denn die gelten gemeinhin als marktliberaler als die Demokraten. Analysten von der Deutschen Bank gehen davon aus, dass es in diesem Fall zu einem Run auf den Aktienmarkt kommen wird und die Kurse bis Jahresende steigen.
Gesundheitsreform umstritten
Doch auch abseits der Wirtschaft hat Obama einiges vollbracht: Er hat den Krieg im Irak (vorerst) beendet, die unter seinem Vorgänger George W. Bush erlaubte Folter wieder verboten und es Homosexuellen ermöglicht, offen im Militär zu dienen. Seine prominenteste Errungenschaft ist die Gesundheitsreform, die dafür sorgen soll, dass so gut wie jeder Amerikaner künftig krankenversichert ist. Was aus europäischer Sicht jedoch eine Selbstverständlichkeit ist, kommt bei der amerikanischen Bevölkerung nicht so gut an. Im Umfragenschnitt befürworten lediglich an die 40 Prozent der US-Bürger das Gesetz, während es mehr als 50 Prozent ablehnen. Ursächlich für diese Werte ist die breitere Ablehnung der Amerikaner von allem, was vom Staat vorgeschrieben wird.
Dennoch ist Obama optimistisch, was die Chancen der Demokraten bei der Wahl angeht und ist sich sicher, dass sie die Kontrolle über den Senat behalten werden. Gleichzeitig ist er offenbar Realist, was sein persönliches Image angeht. Er hält sich auffällig zurück, wenn es um öffentliche Auftritte mit Kandidaten geht. Wenn überhaupt so sieht man ihn nur in Wahlbezirken, die als gesichert gelten. Die Demokraten haben jedoch noch ein Problem: die Wahlbeteiligung. Die ist bei den sogenannten Midterms, also jenen Kongresswahlen, die stattfinden, wenn kein Präsident gewählt wird, mit rund 40 Prozent an sich schon niedrig. Doch bei den "wahrscheinlichen" Wählern stellen die Republikaner eine klare Mehrheit. Die Demokraten haben zwar versucht, mit gleichzeitigen Referenden - wie etwa zur Legalisierung von Marihuana - mehr von ihrem Wahlvolk an die Urnen zu bekommen. Jedoch mobilisieren solche Aktionen auch die Gegner solcher Vorschläge.
Die ersten Wahllokale öffnen an der amerikanischen Ostküste am Dienstag, 4. November, um 12 Uhr MEZ. Die letzten Lokale schließen in Alaska und Hawaii am Mittwoch um 6 Uhr MEZ - doch bis das endgültige Ergebnis für den Senat feststeht, könnte es unter Umständen bis Jänner dauern. Denn falls bei dem Kopf-an-Kopf-Rennen im Bundesstaat Georgia keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erhält, gibt es am 6. Jänner eine Stichwahl. Auch in Louisiana ist ein "totes Rennen" nicht ausgeschlossen - dort gäbe es am 6. Dezember einen zweiten Wahlgang.