Zum Hauptinhalt springen

Entweder für Trump oder gegen die Partei

Von Konstanze Walther

Politik

Die viertägige Krönungsmesse der Republikaner macht vor der Wahl eines deutlich: Kritik an Donald Trump ist 2020 gleichzusetzen mit Hochverrat. Nur wenige Konservative wagen Widerspruch - Stuart Stevens ist einer von ihnen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Vor vier Jahren nahm kaum ein Konservativer den Immobilien-Sohn und Reality-TV-Star als wirkliche Bedrohung ernst. Dass es Donald Trump dann wirklich geschafft hatte, das republikanische Ticket für das Präsidentenamt zu bekommen, erstaunte in den konservativen Rängen viele und brachte manche an den Rand der Verzweiflung.

Davon ist heute keine Spur mehr. Am Republikanischen Parteitag 2020 stehen die Konservativen bedingungslos hinter Trump. Auch jene Politiker, die manchmal zarte Zweifel gehegt haben, sei es wegen Trumps Missachtung der Verfassung (etwa durch das Verbot der Einreise aus muslimischen Ländern), sei es wegen seines Nepotismus (sein Schwiegersohn Jared Kushner hatte beinahe schon alle hochkarätigen Positionen im Weißen Haus inne), oder dem Andenken einer Verschiebung der US-Wahlen - sie sind mittlerweile fast alle an Bord. Der Senator aus South Carolina, Lindsey Graham, hatte 2015 erklärt, dass die Republikaner gemeinsam Trump ausrichten möchten, er solle "zur Hölle fahren". Trump würde Zwietracht zwischen Ethnien säen, sei fremdenfeindlich und ein religiöser Heuchler. "Er repräsentiert nicht meine Partei", stellte Graham damals klar.

Stuart Stevens (l.) war Berater des Republikaners Mitt Romney (r.). Der enttäuschte Stevens hat nun über den Zustand der Republikaner das Buch geschrieben: "It was all a lie- How the Republican Party became Donald Trump".
© reuters/Snyder

Es kam anders, Trump gewann die Vorwahlen in den Bundesstaaten, die Republikaner entschieden sich, ihn zu akzeptieren.

Dieses Jahr schreibt Graham glühende Meinungsartikel für Fox News mit dem Titel: "Trump hat geliefert: Warum ich den Präsidenten wieder wählen werde."

Meinungsumschwung der Partei

Senator Graham ist beileibe nicht der Einzige, der einen Sinneswandel durchgemacht hat. Nicht alle schreiben nun Lobeshymnen, aber keiner der amtsführenden republikanischen Politiker - außer Senator Mitt Romney aus Utah - wagt es, öffentlich gegen Trump etwas zu sagen.

"Die (Politiker, Anm.) wissen alle, dass Donald Trump nicht Präsident sein sollte. Die wissen alle, dass etwas schief gelaufen ist. Aber die meisten davon schweigen. Sie verteidigen Trump maximal als notwendiges Übel", erklärt der ehemalige Polit-Berater Stuart Stevens in einem Interview mit der Zeitschrift "Politico". Der konservative Stevens war lange Jahre als Stratege bei den Republikanern tätig und verhalf unzähligen Politikern zu Wahlsiegen. Doch Stevens kann mit dem Zustand der jetzigen Partei nichts mehr anfangen. Im August erschien sein Buch: "It was all a lie - How the Republican Party became Donald Trump" (Es war alles eine Lüge - wie die Republikanische Partei Donald Trump wurde).

Stevens war unter anderem in fünf Präsidentschaftswahlkämpfe involviert - zuletzt im Präsidentschaftswahlkampf von Mitt Romney 2012, der gegen den Demokraten Barack Obama verlor.

Stevens erzählt auch, wie es soweit kam, dass Trump überhaupt das Ticket 2016 bekommen hatte: "Alle anderen 15 Kandidaten haben sich gegenseitig fertig gemacht", es wäre ja offensichtlich gewesen, dass die Partei keinen insolventen Casino-Besitzer nominieren würde, der über Sex mit seiner Tochter laut nachdenkt. Das war aber dann nicht der Fall. Stevens erinnert sich, dass er sogar versucht hatte, prominente Republikaner zu motivieren, sich doch noch in letzter Sekunde aufstellen zu lassen, um Trump die Schlüsselstaaten wegzunehmen, etwa in Florida, Pennsylvania und Michigan. Erfolglos, denn die Parteiräson war: Wenn das Establishment Trump im Vorfeld das Ticket zur Präsidentenwahl verunmöglicht, dann würden die Amerikaner die Republikanische Partei dafür verantwortlich machen. Also war das Kalkül laut Stevens: Wenn die Republikaner erst an der Wahlurne verlieren, sei genug Zeit, die Partei neu aufzubauen. Trump würde schon nicht gewinnen.

Es geht auch um den Kongress

Doch er entschied die Präsidentschaftswahl bekanntlich für sich und kandidiert heuer für die nächsten vier Jahre. Es gab keinen Herausforderer in der Republikanischen Partei, der viertägige Parteitag ist nur Folklore, um die Kernwähler zu motivieren, ihre Stimme abzugeben.

Dass die republikanischen Politiker mitmachen, liegt daran, dass es nun ums Eingemachte gehe, meint Stevens. Denn verliert Trump, werden auch viele Republikaner ihren Job los. Würde die Partei offen erklären, dass ihr Präsident Fehler gemacht habe, etwa in der Corona-Krise, dann würde nicht nur das Weiße Haus verloren gehen. Im November werden alle Sitze im Repräsentantenhaus neu gewählt, genauso wie ein Drittel aller Senatssitze. Einer der zu vergebenen Sitze ist übrigens jener, auf dem Lindsey Graham sitzt.

Dabei verkennen die Republikaner die Verhältnisse. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell "glaubt, dass er in die Geschichte eingeht, als der, dem Donald Trump gedient hatte. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass die Geschichte es anders herum sehen wird", urteilt Stevens.

"Vor vier Jahren haben noch 90 Prozent der Republikaner gesagt, dass die Partei für persönliche Verantwortung steht, für Charakter, für einen harten Umgang mit Russland, für fiskalische Verantwortung, für legale Immigration und für freien Handel. Aber heute ist die Partei zu 100 Prozent gegen all diese Dinge", resümiert Stevens im Interview mit "Politico". "Das ist keine politische Partei. Das ist ein Kartell."