Gewaltige Geldströme aus dem Norden haben in Afrika mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht - eine der Ursachen für die Probleme dort.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wann immer es afrikanisches Elend schafft, von westlichen Massenmedien wahrgenommen zu werden - wie etwa jüngst vor Lampedusa -, ist eine Art europäisches Selbstbezichtigungsritual die Folge. Europa, ist dann regelmäßig aus Politik und Medien zu hören, helfe Afrika einfach zu wenig, um endlich wirtschaftlich auf die Beine zu kommen, deshalb sei mehr Geld für Entwicklungshilfe nötig.
Wenn man mehr Geld für die Armen und Bedrückten dieser Welt einmahnt, ist man irgendwie stets auf der Seite der Guten. Allerdings gibt es keinen empirischen Beleg dafür, dass Afrikas Elend mangelnder Entwicklungshilfe geschuldet ist. Ganz im Gegenteil. Immer mehr Entwicklungsexperten, gerade aus Afrika, weisen der Entwicklungshilfe erhebliche Mitschuld an den betrüblichen Lebensumständen allzu vieler Afrikaner zu. "Entwicklungshilfe ist nicht die Lösung,sie ist das Problem", behauptet etwa der einflussreiche ugandische Publizist Andrew Mwenda. Faktum ist: In den vergangenen 50 Jahren flossen bemerkenswerte 600 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern vom Norden allein nach Schwarzafrika. Dennoch geht es zahllosen Afrikanern heute schlechter als vor 50 Jahren.
Die gebürtige Afrikanerin, Investmentbankerin und Autorin Dambisa Moyo ist überzeugt: "Das fundamentale Problem ist, dass die Entwicklungshilfe keine Jobs geschaffen hat, sondern das Gegenteil bewirkte, sie zerstörte. Entwicklungshilfe produziert Inflation, Schulden, Bürokratie und Korruption. In ein solches Land wollen Unternehmer nicht investieren und dort Jobs schaffen. Niemand wird bestraft, wenn er nicht innovativ ist, denn die Hilfe fließt trotzdem. Und niemand wird belohnt, wenn er sich anstrengt."
Entwicklungshilfe, spottete der angesehene US-Ökonom und Afrikanist William Easterley, funktioniere "für alle, außer für die Armen; sie ist ein Wohlfühlprogramm der reichen Länder". Und für die herrschenden kleptokratischen Schichten Afrikas, denen die Hauptschuld am dortigen Elend zukommt. Unvergessen etwa der langjährige Herrscher des Kongo, Mobuto Sese Seko, der von der internationalen Gemeinschaft eine Senkung der Zinslast seines Landes erbettelte, seiner Tochter aber eine Concorde für einen Trip an die Côte d’Azur mietete (er dürfte insgesamt etwa fünf Milliarden gestohlen haben). Nicht nur Moyo zieht daraus den logischen Schluss, diese Geldströme vom Norden in den Süden schlicht und einfach zu stoppen und die Entwicklungshilfe in der heutigen Form zu beenden.
Das heißt nicht, dass Afrika nicht geholfen werden soll. Allerdings ganz anders: durch die Beseitigung der protektionistischen Maßnahmen, mit denen Europa seine Produzenten - etwa in der Landwirtschaft - schützt und afrikanische benachteiligt. Afrika braucht nicht geschenktes Geld, sondern die Möglichkeit und den ökonomischen Zwang, Geld selbst zu verdienen. Darauf ist mittlerweile selbst der für sein soziales Engagement bekannte Rockstar Bono gekommen: "Unterstützung kann nur Überbrückungsmittel sein, Handel und unternehmerischer Kapitalismus führen mehr Menschen aus der Armut als (Entwicklungs-)Hilfe." Er hat recht.
ortner@wienerzeitung.at