Zum Hauptinhalt springen

Entzweite Bürgerschaft

Von Tamas Denes

Politik

Die in der nordserbischen Stadt Subotica lebenden Ungarn sehen sich laut Zeitungsberichten seit geraumer Zeit Anfeindungen seitens radikaler serbischer Gruppierungen ausgesetzt. Immer wieder soll es zu tätlichen Angriffen, Verbalinjurien und antisemitischen Schmieraktionen kommen. Jeder zweite Bewohner der Stadt ist Ungar, die Serben selbst machen nur etwa 30 Prozent der Bevölkerung aus. Interventionsversuche aus Budapest sind bisher wirkungslos geblieben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die in der Vojvodina erscheinende ungarische Tageszeitung "Magyar Szó" (Ungarisches Wort) berichtet in ihrer Wochenendausgabe von neuerlichen Übergriffen auf ungarische Studenten in der nordserbischen Stadt Subotica. Ungarns Außenminister László Kovács wandte sich angesichts der sich häufenden Anschuldigungen schon im April telefonisch an den Ministerpräsidenten von Serbien-Montenegro, Vojislav Kostunica. Die Situation dürfte sich aber nicht entspannt haben, nach ungarischer Darstellung ist vielmehr das Gegenteil der Fall: Während des ganzen Mai sollen demnach die Minderheiten der Region Übergriffen seitens radikaler serbischer Jugendlicher ausgesetzt gewesen sein. Es soll sowohl zu Tätlichkeiten als auch zu verbalen Angriffen auf offener Straße gekommen sein. Neben Verwüstungen von ungarischen Friedhöfen sollen Parolen auf Kirchenwände geschmiert worden sein, die sich zwar nicht ausschließlich, aber doch auch gegen die ungarische Minderheit richteten. Die Redakteurin Erika Kabok, die für "Magyar Szó" arbeitet, beschäftigt sich seit längerem mit dieser Problematik. Sie macht ihren Standpunkt gegenüber der "Wiener Zeitung" deutlich: Demnach liege die Ursache der jüngsten Repressionen 15 Jahre zurück, als die nationalistische Regierung unter Slobodan Milosevic den ungarischen Sprachunterricht für Serben abschaffte. Bis dahin sei die ungarische Sprache sehr wohl an den jugoslawischen Schulen gelehrt worden. Seit Ungarisch vom Lehrplan gestrichen wurde, sei eine offensichtliche Segregation auf den Schulhöfen Suboticas festzustellen, kritisiert Kabok.

Polizei reagiert nicht

Ein zusätzliches Problem erblickt Kabok in der Vorgangsweise der Polizei, der sie sinngemäß Ignoranz vorwirft. So habe die Polizei im Fall einer Friedhofsschändung achselzuckend festgestellt, dass die Tat eindeutig sieben bzw. achtjährigen Kindern zuzuschreiben sei. Nachdem nicht ausschließlich Subotica, sondern fast die ganze Vojvodina von solchen Ausschreitungen betroffen ist, hält man es unter den Ungarn Serbien-Montenegros für möglich, dass es sich hierbei um konzertierte Aktionen handelt.

Serbiens Präsident Vojislav Kostunica hat unterdessen die ungarisch-vojvodinische Tageszeitung "Magyar Szó" heftig angegriffen, die er im Dienste "faschistischer Ideologie" sieht. Anlass für diese Aussage war ein Veteranentreffen ehemaliger, im Zweiten Weltkrieg dienender ungarischer "Honvéds" (Heimatschützer). Eine Zusammenkunft, die von besagter Zeitung unterstützt wurde.

Völker-Gemisch

Subotica, die fünftgrößte Stadt Serbiens, hat etwa 100.000 Einwohner. Die Bevölkerung ist sehr heterogen. Die Ungarn stellen mit knapp über 50 Prozent, die Serben mit über 30 Prozent die größten Bevölkerungsgruppen. Außerdem leben hier Kroaten, Slowaken, Ruthenen und Roma. Daneben gab es eine Deutsche Minderheit, die nach dem Zweiten Weltkrieg stark geschwunden ist.