Die Corona-Ampel soll für Einheitlichkeit sorgen. Der Kampf gegen das Virus verlangt aber oft fallbezogenes Vorgehen.
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so schön grün war Österreich noch vor wenigen Wochen. Heute sind quer über das ganze Land gelbe Flecken zu sehen. Es geht diesmal nicht um Klimaveränderungen, sondern um die Entwicklung des Infektionsgeschehens mit dem neuen Coronavirus. Seit Wochen steigen die Fallzahlen landesweit an, immer wieder zeigen sich lokale Häufungen, die sogenannten Cluster.
Schon im April haben Komplexitätsforscher eine Corona-Ampel entwickelt, um die epidemiologische Entwicklung transparent und einfach abzubilden. Jeder und jede soll mit möglichst einem Blick erkennen können, ob der eigene Wohnbezirk eine hohe oder niedrige Inzidenz aufweist. Und ist eben heute viel mehr gelb als noch Anfang des Monats. Sehr komplex ist das Modell des Complexity Science Hub Vienna aber gar nicht, denn es stellt ausschließlich auf die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von 14 Tagen, gemessen an der Einwohnerzahl, ab.
Diese Betrachtungsweise war Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zu "eindimensional", wie er sagte. Deshalb sollen vier Faktoren darüber entscheiden, ob die Ampel auf Gelb, Orange oder gar Rot geschaltet werden muss: die Entwicklung der Infektionen, die Belastbarkeit des Gesundheitssystems, die Charakteristika der Fälle sowie der Tests. Dahinter steckt der Wunsch nach Klarheit und Einheitlichkeit.
Die Ampel soll nämlich nicht nur ein Warnsystem sein, sondern je nach Farbe sollen auch konkrete Maßnahmen abgeleitet werden. Zuletzt war das Vorgehen der Behörden auf regionaler Ebene oftmals nur schwer nachvollziehbar - zumindest bei einem oberflächlichen Blick.
Warum ist das Vorgehenso unterschiedlich?
Warum gilt am Wörthersee Maskenpflicht outdoor, obwohl Kärnten wenige Infektionen aufweist? Warum mussten bei einem großen Cluster in einer Freikirche Schulen in mehreren Bezirken schließen, während in St. Wolfgang alle Hotels offenblieben? Und warum wurde im Burgenland nach einer Infektion der Kindergarten geschlossen?
Dem Bedürfnis nach Einheitlichkeit steht die Notwendigkeit entgegen, differenziert und fallbezogen vorzugehen. Nicht jeder Cluster verlangt das gleiche Vorgehen. Das hängt auch vom Kontaktpersonenmanagement ab. So müssen enge Kontakte von Infizierten sofort in Quarantäne. Das betrifft im Fall der Kindergartenhelferin nun einmal alle zuletzt anwesenden Kinder.
Bei den Hotels am Wolfgangsee konnten die Gesundheitsbehörden keine engen Kontakte zwischen den infizierten Praktikantinnen und Hotelgästen ermitteln. Andernfalls wäre die Schließung wohl eine Option gewesen. Bei einem Cluster in einem Fleischverarbeitungsbetrieb wurde dieser zwar auch nicht behördlich geschlossen, allerdings wurden so viele Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt, dass die Produktion stillstand. Beim Freikirchen-Cluster in Linz gab es das Problem, dass er kurzfristig nicht kontrollierbar schien und die Behörden deshalb zur drastischen Maßnahme der Schulschließungen griffen. Generell stellt sich bei der Wahl der Maßnahmen auch immer wieder die Frage: Besser kurz und heftig? Oder doch das gelindeste Mittel?
Dem unterschiedlichen Infektionsgeschehen will man beim Ampelsystem Rechnung tragen. Weiß man, wer von wem infiziert wurde? Gibt es asymptomatische Fälle? Das alles ist wichtig, ebenso sind es mögliche Nebenwirkungen von Maßnahmen.
Eine Kommission mit 14 Personen, darunter Vertretern von Bund, Ländern sowie Expertinnen und Experten aus dem Bereich Virologie und Public Health, sollen Empfehlungen abgeben. Die Entscheidung über die Einstufungen trifft aber die Politik.
Welche Personen in der Kommission sitzen werden, muss erst feinabgestimmt werden, ebenso die Frage, auf welche Ebene die Ampel heruntergebrochen wird. Die Bezirksebene macht in Wien wenig Sinn, Anschober ist skeptisch, die Stadt kategorisch ablehnend. Der Fall St. Wolfgang hat auch gezeigt, dass die Bezirksebene nicht immer reicht. St. Gilgen liegt am anderen Ufer, allerdings bereits in Salzburg.
Unklar ist auch, ob jeder Farbe ein starrer Katalog hinterlegt ist, also etwa Orange immer und überall dieselben Maßnahmen auslösen. Transparent und klar wäre das. Aber wäre das auch sinnvoll?(sir)