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Am Mittwoch wurden 7.400 neue Infektionen gemeldet, Hunderte Testergebnisse betreffen aber vergangene Tage.
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Am Mittwoch meldete das Gesundheitsministerium erstmals mehr als 6.000 Neuinfektionen, am Donnerstag dann schon mehr als 7.400. Es geht nach wie vor steil hinauf, wobei diese Infektionen aufgrund der Inkubationszeit noch vor Beginn des Lockdowns passiert sein müssen. Bemerkenswert ist aber die immer größer werdende Differenz zu den offiziellen Zahlen aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) der Ages, die täglich um 14 Uhr am Dashboard veröffentlicht werden. In diesem werden für den Vortag statt den 7.400 nämlich nur 5.973 Neuinfektionen ausgewiesen.
Dieser große Unterschied ist nicht durch die unterschiedlichen Zeiträume der beiden Messungen zu erklären. Er ist vor allem Beleg dafür, dass nach dem Verlust der Kontrolle über das Virusgeschehen nun auch dessen Überwachung zusammenbricht. Die Infektionszahlen, die aus den Ländern jeden Tag in der Früh dem Gesundheitsministerium und dem Innenministerium gemeldet werden, sind ein Potpourri von Infektionen der vergangenen Tage.
Auch die Ages erhält diese Meldungen aus dem EMS, bereinigt sie um Fehler und weist die positiven Testergebnisse jenen Tagen zu, als das Labor tatsächlich das Ergebnis ausgestellt hat. Von den 7.400 Infektionsfällen, die am Donnerstag gemeldet wurden, galten Hunderte noch dem Dienstag, mehr als 100 dem Freitag und etwa zwei Dutzend Tests mussten sogar dem 27. Oktober zugeordnet werden. Der Trend ist zwar nach wie vor aus den Zahlen herauszulesen, die am Dashboard veröffentlicht werden, doch die epidemiologische Kurve der Neuinfektionen pro Tag ist nicht mehr aktuell.
Cluster-Analysen nicht mehr aussagekräftig
Die Cluster-Analysen, die von der Ages seit Monaten durchgeführt werden, dürften, zumindest in ihrer bisherigen Form, auch Geschichte sein. Da in etlichen Behörden das Contact Tracing zusammengebrochen ist und nur mehr auf Notbetrieb läuft, ist der Anteil der abgeklärten Cluster-Fälle derart gesunken, dass eine Analyse der Cluster nur mehr wenig Aussagekraft hat. Aktuell liegt die Quote der abgeklärten Fälle bei 27 Prozent. "Die Instrumente greifen nicht mehr", sagt der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub (CSH) der MedUni Wien, der in einem Konsortium kurzzeitige Prognosen erstellt. "Deshalb ist der Lockdown auch unumgänglich." Die Prognosen werden auch einfacher, wenn nicht einmal mehr die Zahlen für den Vortag adäquat abgebildet wird. "Vor dem Forecasting müssen wir immer ein Nowcasting betreiben", erklärt er. Viel Zeit geht damit verloren, die Zahlen zu analysieren, um überhaupt die Jetztzeit darzustellen.
Verspätete Einmeldungen in das EMS sind nichts Neues, im Laufe der Zeit wurde das besser und genauer, zudem waren die Fallzahlen niedriger. Nun geht die Spreizung aber immens auseinander. Wer wissen will, wie sich die Epidemie tatsächlich entwickelt, muss einige Tage zurückblicken. Da es auch Tagesschwankungen gibt, sind die 7-Tages-Werte für die Prognosen von höherer Bedeutung. Die Prognosen sind vor allem für die Spitalsplanungen wichtig.
Ganz Österreich ist nun Rot
Die am Mittwoch veröffentlichte Modellrechnung geht von einem Anwachsen auf 760 Patienten auf Intensivstationen bis zum 18. November aus. Das wäre eine Verdoppelung im Vergleich zum Beginn dieser Woche und eine Auslastung von 38 Prozent aller Intensivbetten für Erwachsene allein durch Covid-Patienten. Auf dem Dashboard der Ages waren am Donnerstag.363 Intensivpatienten ausgewiesen, Gesundheits- und Innenministerium meldeten per Aussendung zu Mittag jedoch mehr als 400 Personen, die eine intensivmedizinische Betreuung erhalten.
Am Donnerstagabend stellte dann die Corona-Ampel-Kommission dann sämtliche Bezirke in Österreich auf Rot. In der Vorwoche wurde zwar bereits das gesamte Bundesgebiet auf Rot gestellt, es gab aber noch vereinzelt in Österreich gelbe und orange Flecken. Die sind nun gänzlich verschwunden. Vor allem der Westen ist besonders stark betroffen. In Vorarlberg stieg die Inzidenz (Durchschnittliche Fälle der vergangenen sieben Tage) auf 662 pro 100.000 Einwohner. Die geringste Inzidenz weist mittlerweile sogar Wien auf mit knapp 300 Fällen gerechnet auf 100.000 Einwohner.